Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen. Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke. Fehlen einer Übersetzung des Schriftstücks. Verweigerung der Annahme des Schriftstücks. Sprachkenntnisse des Empfängers des Schriftstücks. Überprüfung durch das im Übermittlungsmitgliedstaat angerufene Gericht
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 Art. 8
Beteiligte
Tenor
Die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten „Zustellung von Schriftstücken”) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates ist dahin auszulegen, dass anlässlich der Zustellung eines Schriftstücks an seinen Empfänger, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als des Übermittlungsmitgliedstaats hat, in dem Fall, in dem das Schriftstück nicht in einer Sprache, die der Betroffene versteht, oder in der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats, oder, wenn es in diesem Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll, abgefasst wurde und dem Schriftstück auch keine Übersetzung in eine dieser Sprachen beigefügt ist
- das im Übermittlungsmitgliedstaat angerufene Gericht sich zu vergewissern hat, dass dieser Empfänger unter Verwendung des Formblatts in Anhang II dieser Verordnung gebührend über sein Recht, die Annahme dieses Schriftstücks zu verweigern, belehrt wurde,
- es im Fall der Nichtbeachtung dieser Formvorschrift diesem Gericht obliegt, entsprechend den Vorschriften dieser Verordnung die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens herzustellen,
- das angerufene Gericht dabei den Empfänger nicht in seinem Recht, die Annahme dieses Schriftstücks zu verweigern, beeinträchtigen darf,
- das angerufene Gericht erst prüfen darf, ob diese Verweigerung gerechtfertigt war, nachdem der Empfänger sein Recht auf Verweigerung der Annahme des Schriftstücks tatsächlich ausgeübt hat; hierzu hat dieses Gericht alle einschlägigen Angaben in den Akten zu berücksichtigen, um festzustellen, ob der Betroffene die Sprache, in der das Schriftstück abgefasst wurde, versteht, und
- sofern dieses Gericht feststellt, dass die Weigerung des Empfängers des Schriftstücks nicht gerechtfertigt ist, es in einem solchen Fall grundsätzlich die in seinem nationalen Recht vorgesehenen Folgen ziehen darf, soweit die praktische Wirksamkeit der Verordnung Nr. 1393/2007 gewährleistet wird.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de Primera Instancia n° 44 de Barcelona (Gericht erster Instanz Nr. 44 von Barcelona, Spanien) mit Entscheidung vom 22. Mai 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 11. August 2014, in dem Verfahren
Alta Realitat SL
gegen
Erlock Film ApS,
Ulrich Thomsen
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen (Berichterstatter) sowie des Richters A. Borg Barthet und der Richterin M. Berger,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Erlock Film ApS und von Herrn Thomsen, vertreten durch K. Dyekjær und H. Puggaard, advokater,
- der spanischen Regierung, vertreten durch M. García-Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und B. Beutler als Bevollmächtigte,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und S. Pardo Quintillán als Bevollmächtigte,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts getroffenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten „Zustellung von Schriftstücken”) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (ABl. L 324, S. 79).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Alta Realitat SL (im Folgenden: Alta Realitat) einerseits und der Erlock Film ApS sowie Herrn Thomsen andererseits wegen der Auflösung eines Vertrags über die Erbringung von Dienstleistungen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 1393/2007
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 2, 7 und 10 bis 12 der Verordnung Nr. 1393/2007 heißt es:
„(2) Für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts muss die Übermittlung ger...