Entscheidungsstichwort (Thema)

Recht des Inhabers einer Marke, dem ersten ohne seine Zustimmung erfolgenden Inverkehrbringen von Waren dieser Marke im EWR zu widersprechen

 

Normenkette

EuGH-VerfO Art. 104; Richtlinie 89/104/EWG

 

Beteiligte

Canon

Canon Kabushiki Kaisha

IPN Bulgaria OOD

 

Tenor

Art. 5 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass der Inhaber einer Marke dem ohne seine Zustimmung erfolgenden ersten Inverkehrbringen von Originalwaren dieser Marke im Europäischen Wirtschaftsraum widersprechen kann.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Sofiyski gradski sad (Bulgarien) mit Entscheidung vom 30. Oktober 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 18. November 2009, in dem Verfahren

Canon Kabushiki Kaisha

gegen

IPN Bulgaria OOD

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-J. Kasel in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter M. Ilešič (Berichterstatter) und E. Levits,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Calot Escobar,

gemäß Art. 104 § 3 der Verfahrensordnung, wonach der Gerichtshof durch mit Gründen versehenen Beschluss entscheiden kann,

nach Anhörung des Generalanwalts

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der nach japanischem Recht gegründeten Gesellschaft Canon Kabushiki Kaisha (im Folgenden: Canon) und der IPN Bulgaria OOD (im Folgenden: IPN Bulgaria), einer Gesellschaft nach bulgarischem Recht, zu von Canon hergestellten und ohne deren Zustimmung von einem Drittstaat aus nach Bulgarien an die Empfängerin IPN Bulgaria versandten Waren.

Die Richtlinie 89/104

Rz. 3

Art. 5 („Rechte aus der Marke”) der Richtlinie 89/104 sah in Abs. 1 Buchst. a vor:

„Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr

  1. ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist”.

Rz. 4

Nach Art. 5 Abs. 3 kann insbesondere verboten werden:

  1. „das Zeichen auf Waren oder deren Aufmachung anzubringen;
  2. unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;
  3. Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen;

…”

Rz. 5

Art. 7 („Erschöpfung des Rechts aus der Marke”) der Richtlinie 89/104 in seiner ursprünglichen Fassung bestimmte in Abs. 1:

„Die Marke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind.”

Rz. 6

Nach Art. 65 Abs. 2 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) in Verbindung mit Anhang XVII Nr. 4 dieses Abkommens wurde Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 89/104 in seiner ursprünglichen Fassung für die Zwecke dieses Abkommens angepasst, indem der Ausdruck „in der Gemeinschaft” durch die Worte „in einem Vertragsstaat” ersetzt wurde.

Rz. 7

Die Richtlinie 89/104 wurde durch die Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (kodifizierte Fassung) (ABl. L 299, S. 25), die am 28. November 2008 in Kraft trat, aufgehoben. Im Ausgangsrechtsstreit findet jedoch in Anbetracht des für den Sachverhalt maßgeblichen Zeitpunkts weiterhin die Richtlinie 89/104 Anwendung.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

Rz. 8

Canon stellt Fotoapparate, Kopiergeräte, Drucker und andere Apparate her. Ihre Produkte werden unter dem Wortzeichen „CANON” vertrieben. In der Europäischen Union ist dieses Zeichen als Gemeinschaftsmarke und in zahlreichen Mitgliedstaaten, darunter auch der Republik Bulgarien, als nationale Marke eingetragen.

Rz. 9

Mit Schreiben vom 29. April 2008 teilte die Regionale Zolldirektion Burgas (Bulgarien) einem Vertreter von Canon mit, dass sie am 22. April 2008 eine Ladung Tonerkassetten der Marke CANON sichergestellt habe. Diese Ladung kam aus Hongkong (China) und war nach Bulgarien über den Hafen von Burgas eingeführt worden. Empfängerin der Ladung war IPN Bulgaria.

Rz. 10

Mit Beschluss vom 16. Mai 2008 erließ das Sofiyski gradski sad (Sofioter Stadtgericht) auf Antrag von Canon die einstweilige Verfügung, die betreffenden Waren zu beschlagnahmen. Dieser Beschluss wurde mit Beschluss des Sofiyski apelativen sad (Sofioter Berufungsgericht) vom 26. Juni 2008 bestätigt. Aufgrund...

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