Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Öffentliche Aufträge. Verfahren zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen über landwirtschaftliche Beratungsdienstleistungen. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags. System zum Erwerb von Dienstleistungen durch die Zulassung jedes Wirtschaftsteilnehmers als Anbieter, der zuvor festgelegte Anforderungen erfüllt. System, das nachfolgend anderen Wirtschaftsteilnehmern nicht offensteht
Normenkette
Richtlinie 2004/18/EG
Beteiligte
Tenor
Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass ein System der landwirtschaftlichen Betriebsberatung wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, durch das eine öffentliche Einrichtung alle Wirtschaftsteilnehmer akzeptiert, die die in der Ausschreibung aufgeführten Eignungsvoraussetzungen erfüllen und die ebenfalls dort genannte Prüfung bestanden haben, keinen öffentlichen Auftrag im Sinne dieser Richtlinie darstellt, selbst wenn während der begrenzten zeitlichen Laufzeit dieses Systems kein neuer Wirtschaftsteilnehmer zugelassen werden kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht, Finnland) mit Entscheidung vom 22. Dezember 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Januar 2017, in dem Verfahren
Maria Tirkkonen,
Beteiligte:
Maaseutuvirasto,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter J. Malenovský, M. Safjan, D. Šváby (Berichterstatter) und M. Vilaras,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen:
- von Frau Tirkkonen, vertreten durch A. Kuusniemi-Laine, asianajaja,
- der finnischen Regierung, vertreten durch S. Hartikainen als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Tokár und I. Koskinen als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Dezember 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Verfahrens, das von Frau Maria Tirkkonen angestrengt wurde, da ihr Angebot, das sie eingereicht hatte, um im Rahmen des Systems „Neuvo 2020 – Maatilojen neuvontajärjestelmä” „Neuvo 2020 – System der landwirtschaftlichen Betriebsberatung”) (im Folgenden: System der landwirtschaftlichen Betriebsberatung Neuvo 2020) als Beraterin für die Bereiche „Nutztiere, Gesundheitsfürsorgepläne” ausgewählt zu werden, von der Maaseutuvirasto (Agentur für den ländlichen Raum, Finnland, im Folgenden: Agentur) zurückgewiesen worden war.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2004/18
Rz. 3
In Art. 1 „Definitionen”) der Richtlinie 2004/18 heißt es unter anderem:
„…
(2) a) ‚Öffentliche Aufträge’ sind zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie.
…
(5) Eine ‚Rahmenvereinbarung’ ist eine Vereinbarung zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern und einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern, die zum Ziel hat, die Bedingungen für die Aufträge, die im Laufe eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis und gegebenenfalls die in Aussicht genommene Menge.
…”
Rz. 4
Art. 32 „Rahmenvereinbarungen”) bestimmt insbesondere:
„…
(2) Für den Abschluss einer Rahmenvereinbarung befolgen die öffentlichen Auftraggeber die Verfahrensvorschriften dieser Richtlinie in allen Phasen bis zur Zuschlagserteilung der Aufträge, die auf diese Rahmenvereinbarung gestützt sind. Für die Auswahl der Parteien einer Rahmenvereinbarung gelten die Zuschlagskriterien gemäß Artikel 53.
Aufträge, die auf einer Rahmenvereinbarung beruhen, werden nach den in den Absätzen 3 und 4 beschriebenen Verfahren vergeben. Diese Verfahren sind nur zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den Wirtschaftsteilnehmern anzuwenden, die von Anbeginn an an der Rahmenvereinbarung beteiligt sind.
Bei der Vergabe der auf einer Rahmenvereinbarung beruhenden Aufträge dürfen die Parteien keinesfalls substanzielle Änderungen an den Bedingungen dieser Rahmenvereinbarung vornehmen; dies ist insbesondere in dem in Absatz 3 genannten Fall zu beachten.
…
(4) Wird eine Rahmenvereinbarung mit mehreren Wirtschaftsteilnehmern gesc...