Entscheidungsstichwort (Thema)
Niederlassungsfreiheit. Artikel 43 EG und 48 EG. Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat. Eintragung des Unternehmensgegenstands in das nationale Handelsregister. Pflicht zur Zahlung eines Vorschusses auf die Kosten der vollständigen Veröffentlichung des Unternehmensgegenstands. Vereinbarkeit
Beteiligte
Tenor
Die Artikel 43 EG und 48 EG stehen der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegen, nach der die Eintragung der Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat in das Handelsregister von der Zahlung eines Vorschusses auf die zu erwartenden Kosten der Veröffentlichung des Geschäftsgegenstands der Gesellschaft, wie er in ihrem Errichtungsakt niedergelegt ist, abhängig gemacht wird.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Landgericht Berlin (Deutschland) mit Entscheidung vom 31. August 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Oktober 2004, in dem Verfahren
innoventif Limited
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, des Richters R. Schintgen, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter P. Kūris und L. Bay Larsen (Berichterstatter),
Generalanwalt: A. Tizzano,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der deutschen Regierung, vertreten durch C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch F. Díez Moreno als Bevollmächtigten,
- der slowakischen Regierung, vertreten durch R. Procházka als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Braun als Bevollmächtigten,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 43 EG und 48 EG.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Verfahrens über die Beschwerde der innoventif Limited (im Folgenden: innoventif) gegen eine Verfügung des Amtsgerichts Charlottenburg, mit dem dieses ihren Antrag auf Eintragung ihrer deutschen Zweigniederlassung in das nationale Handelsregister mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass innoventif keinen Vorschuss auf die zu erwartenden Kosten der Veröffentlichung des in ihrem Errichtungsakt festgeschriebenen Geschäftsgegenstands gezahlt habe.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Die Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. L 65, S. 8, im Folgenden: Erste Richtlinie), gilt für Kapitalgesellschaften. Sie hat den Schutz Dritter zum Ziel, die mit diesen Gesellschaften in geschäftlichen Kontakt treten, und sieht zu diesem Zweck u. a. die Anlage einer Akte vor, in die eine Reihe von Angaben aufgenommen wird. Diese Akte wird für jede Gesellschaft geführt, die im örtlich zuständigen Handelsregister eingetragen ist.
4 Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Ersten Richtlinie sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit sich die Pflicht zur Offenlegung hinsichtlich der Gesellschaften mindestens auf folgende Urkunden und Angaben erstreckt:
a) den Errichtungsakt und, falls sie Gegenstand eines gesonderten Aktes ist, die Satzung”.
5 Artikel 3 Absätze 2 und 4 der Ersten Richtlinie bestimmt:
„(2) Alle Urkunden und Angaben, die nach Artikel 2 der Offenlegung unterliegen, sind in dieser Akte zu hinterlegen oder in das Register einzutragen …
…
(4) Die in Absatz 2 bezeichneten Urkunden und Angaben sind in einem von dem Mitgliedstaat zu bestimmenden Amtsblatt entweder in Form einer vollständigen oder auszugsweisen Wiedergabe oder in Form eines Hinweises auf die Hinterlegung des Dokuments in der Akte oder auf seine Eintragung in das Register bekannt zu machen.”
6 Die Elfte Richtlinie 89/666/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen (ABl. L 395, S. 36, im Folgenden: Elfte Richtlinie), betrifft die Zweigniederlassungen von Kapitalgellschaften.
7 In Artikel 1 Absatz 1 der Elften Richtlinie heißt es:
„(1) Die Urkunden und Angaben über eine Zweigniederlassung, die in einem Mitgliedstaat von einer Gesellschaft errichtet worden ist, welche dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegt und auf welche die [Erste] Richtlinie … Anwendung findet, sind nach dem Recht des Mitgliedstaats der Zweigniederlassung im Einklang mit Artikel 3 der genannten Richtlinie offen zu legen.”
8 Artikel 2 Absatz 1 der Elften Richtlinie enthä...