Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung. Begriff ‚gewöhnlicher Aufenthalt’. Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und Zusammenarbeit in Unterhaltssachen. Staatsangehörige zweier verschiedener Mitgliedstaaten, die sich als Vertragsbedienstete der Delegation der Europäischen Union in einem Drittstaat in diesem Drittstaat aufhalten. Bestimmung der Zuständigkeit. Notzuständigkeit (forum necessitatis)

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 Art. 3, 6-8, 14; Verordnung (EG) Nr. 4/2009 Art. 3, 7

 

Beteiligte

M P A

MPA

LCDNMT

 

Tenor

1. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 und Art. 3 Buchst. a und b der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen sind dahin auszulegen, dass die Eigenschaft der betreffenden Ehegatten als Vertragsbedienstete der Union, die in einer Delegation der Union in einem Drittstaat beschäftigt sind und hinsichtlich deren behauptet wird, dass sie in diesem Drittstaat den Diplomatenstatus innehätten, keinen entscheidenden Gesichtspunkt für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne dieser Vorschriften darstellen kann.

2. Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 ist dahin auszulegen, dass für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts eines Kindes der Anknüpfungspunkt, der sich aus der Staatsangehörigkeit der Mutter sowie aus ihrem Aufenthalt vor der Eheschließung in dem Mitgliedstaat des mit einem Antrag betreffend die elterliche Verantwortung befassten Gerichts ergibt, nicht relevant ist, wohingegen der Umstand, dass die minderjährigen Kinder in diesem Mitgliedstaat geboren wurden und seine Staatsangehörigkeit besitzen, nicht hinreichend ist.

3. Ergibt sich keine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats für die Entscheidung über einen Antrag auf Auflösung der Ehe nach den Art. 3 bis 5 der Verordnung Nr. 2201/2003, ist Art. 7 dieser Verordnung in Verbindung mit ihrem Art. 6 dahin auszulegen, dass der Umstand, dass der Antragsgegner des Ausgangsverfahrens Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen des angerufenen Gerichts ist, ein Hindernis für die Anwendung der Regelung über die Restzuständigkeit nach diesem Art. 7 zur Begründung der Zuständigkeit dieses Gerichts darstellt, ohne jedoch dem entgegenzustehen, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehöriger er ist, für die Entscheidung über einen solchen Antrag nach den nationalen Zuständigkeitsvorschriften dieses Mitgliedstaats zuständig sind.

Ergibt sich keine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats für die Entscheidung über einen Antrag betreffend die elterliche Verantwortung nach den Art. 8 bis 13 der Verordnung Nr. 2201/2003, ist Art. 14 dieser Verordnung dahin auszulegen, dass der Umstand, dass der Antragsgegner des Ausgangsverfahrens Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen des angerufenen Gerichts ist, der Anwendung der in diesem Art. 14 vorgesehenen Regelung über die Restzuständigkeit nicht entgegensteht.

4. Art. 7 der Verordnung Nr. 4/2009 ist dahin auszulegen, dass

  • in den Fällen, in denen sich der gewöhnliche Aufenthalt sämtlicher Parteien der Unterhaltssache nicht in einem Mitgliedstaat befindet, in Ausnahmefällen die Notzuständigkeit (forum necessitatis) nach Art. 7 der Verordnung Nr. 4/2009 festgestellt werden kann, wenn sich keine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats gemäß den Art. 3 bis 6 dieser Verordnung ergibt, wenn es nicht zumutbar ist oder sich als unmöglich erweist, ein Verfahren in einem Drittstaat, zu dem der Rechtsstreit einen engen Bezug aufweist, einzuleiten oder zu führen, und wenn der Rechtsstreit einen ausreichenden Bezug zu dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts aufweist;
  • sich, um in Ausnahmefällen anzunehmen, dass es nicht zumutbar ist, ein Verfahren in einem Drittstaat einzuleiten oder zu führen, nach einer eingehenden Prüfung der in jedem Einzelfall vorgebrachten Gesichtspunkte der Zugang zu den Gerichten in diesem Drittstaat als rechtlich oder tatsächlich eingeschränkt erweisen muss, insbesondere durch die Anwendung von Verfahrensbedingungen, die diskriminierend sind oder die gegen die grundlegenden Garantien eines fairen Verfahrens verstoßen, ohne dass die Partei, die sich auf diesen Art. 7 beruft, verpflichtet wäre, nachzuweisen, dass sie dieses Verfahren bei den Gerichten des Drittstaats erfolglos eingeleitet hat oder versucht hat, es dort einzuleiten;
  • es für die Annahme, dass ein Rechtsstreit e...

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