Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. Formell in einem Mitgliedstaat niedergelassener für die Verarbeitung Verantwortlicher. Verletzung des Rechts auf Schutz der personenbezogenen Daten natürlicher Personen in einem anderen Mitgliedstaat. Bestimmung des anzuwendenden Rechts und der zuständigen Kontrollstelle. Ausübung der Befugnisse der Kontrollstelle. Sanktionsbefugnis
Normenkette
EGRL 46/95 Art. 4 Abs. 1; Richtlinie 95/46/EG Art. 28 Abs. 1; EGRL 46/95 Art. 28 Abs. 3, 6
Beteiligte
Nemzeti Adatvedelmi es Informacioszabadsag Hatosag |
Tenor
1. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist dahin auszulegen, dass er die Anwendung des Datenschutzrechts eines anderen Mitgliedstaats zulässt als dem, in dem der für die Datenverarbeitung Verantwortliche eingetragen ist, soweit dieser mittels einer festen Einrichtung im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats eine effektive und tatsächliche Tätigkeit ausübt, in deren Rahmen diese Verarbeitung ausgeführt wird, selbst wenn die Tätigkeit nur geringfügig ist.
Um unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden zu bestimmen, ob dies der Fall ist, kann das vorlegende Gericht insbesondere zum einen berücksichtigen, dass die Tätigkeit des für diese Verarbeitung Verantwortlichen, in deren Rahmen diese stattfindet, im Betreiben von Websites besteht, die der Vermittlung von Immobilien dienen, die sich im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats befinden, und die in dessen Sprache verfasst sind, und dass sie daher hauptsächlich oder sogar vollständig auf diesen Mitgliedstaat ausgerichtet ist, und zum anderen, dass dieser Verantwortliche über einen Vertreter in diesem Mitgliedstaat verfügt, der dafür zuständig ist, die Forderungen aus dieser Tätigkeit einzuziehen sowie den Verantwortlichen im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren über die Verarbeitung der betreffenden Daten zu vertreten.
Hingegen ist die Frage der Staatsangehörigkeit der von dieser Datenverarbeitung betroffenen Personen irrelevant.
2. Für den Fall, dass die mit Beschwerden befasste Kontrollstelle eines Mitgliedstaats nach Art. 28 Abs. 4 der Richtlinie 95/46 zu dem Schluss gelangt, dass das auf die Verarbeitung der betreffenden personenbezogenen Daten anwendbare Recht nicht das Recht dieses Mitgliedstaats ist, sondern das eines anderen Mitgliedstaats, ist Art. 28 Abs. 1, 3 und 6 dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass diese Kontrollstelle die wirksamen Einwirkungsbefugnisse, die ihr gemäß Art. 28 Abs. 3 dieser Richtlinie übertragen sind, nur im Hoheitsgebiet ihres Mitgliedstaats ausüben darf. Sie darf folglich keine Sanktionen auf der Grundlage des Rechts dieses Mitgliedstaats gegen den für die Verarbeitung dieser Daten Verantwortlichen verhängen, der nicht im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats niedergelassen ist, sondern muss nach Art. 28 Abs. 6 dieser Richtlinie die Kontrollstelle des Mitgliedstaats, dessen Recht anwendbar ist, ersuchen, einzuschreiten.
3. Die Richtlinie 95/46 ist dahin auszulegen, dass der Begriff „adatfeldolgozás” (technische Durchführung der Datenverarbeitung), der in der ungarischen Sprachfassung dieser Richtlinie, insbesondere in ihrem Art. 4 Abs. 1 Buchst. a und ihrem Art. 28 Abs. 6 verwendet wird, als mit dem Begriff „adatkezelés” (Datenverarbeitung) identisch anzusehen ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Kúria (Oberster Gerichtshof, Ungarn) mit Entscheidung vom 22. April 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Mai 2014, in dem Verfahren
Weltimmo s. r. o.
gegen
Nemzeti Adatvédelmi és Információszabadság Hatóság
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. G. Fernlund (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 2015,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Nemzeti Adatvédelmi és Információszabadság Hatóság, vertreten durch A. Péterfalvi als Bevollmächtigten im Beistand von G. Dudás, ügyvéd,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér, G. Koós und A. Pálfy als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, M. Kamejsza und M. Pawlicka als Bevollmächtigte,
- der slowakischen Regierung, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Holt als Bevollmächtigten im Beistand von J. Holmes, Barrister,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Tokár, B. Martenczuk und J. Vondung als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sit...