Entscheidungsstichwort (Thema)

ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: PRETURA CIRCONDARIALE DI ROMA – ITALIEN. AUSLEGUNG DER ARTIKEL 30 UND 36 EWG-VERTRAG – VERBOT, BESTIMMTE GEWERBLICHE TAETIGKEITEN AM SONNTAG ZU BETREIBEN. Freier Warenverkehr ° Mengenmässige Beschränkungen ° Maßnahmen gleicher Wirkung ° Begriff ° Hemmnisse, die sich aus nationalen Vorschriften ergeben, die die Verkaufsmodalitäten in nicht diskriminierender Weise regeln ° Unanwendbarkeit des Artikels 30 EWG-Vertrag ° Ladenschlußregelung ° Bestimmungen des Vertrages über den Wettbewerb ° Unanwendbarkeit (EWG-Vertrag, Artikel 30)

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anwendung nationaler Vorschriften, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten ist nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, sofern diese Vorschriften für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. Sind diese Voraussetzungen nämlich erfüllt, so ist die Anwendung derartiger Regelungen auf den Verkauf von Erzeugnissen aus einem anderen Mitgliedstaat, die den von diesem Staat aufgestellten Bestimmungen entsprechen, nicht geeignet, den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tut. Diese Regelungen fallen daher nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 30.

Daraus folgt, daß Artikel 30 EWG-Vertrag dahin auszulegen ist, daß er keine Anwendung auf eine nationale Ladenschlußregelung findet, die für alle im Inland tätigen Wirtschaftsteilnehmer gilt und den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berührt.

 

Normenkette

EWGVtr Art. 30

 

Beteiligte

Punto Casa SpA

Promozioni Polivalenti Venete Soc. coop. arl (PPV)

Sindaco del Comune di Capena

Sindaco del Comune di Torri di Quartesolo

Comune di Torri di Quartesolo

Comune di Capena

 

Tenor

Artikel 30 EWG-Vertrag findet keine Anwendung auf eine nationale Ladenschlußregelung, die für alle im Inland tätigen Wirtschaftsteilnehmer gilt und den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berührt.

 

Gründe

1 Die Pretura circondariale Rom, Auswärtige Kammer Castelnuovo di Porto, hat mit Beschlüssen vom 16. Dezember 1992 und vom 22. März 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 15. März 1993 bzw. am 27. April 1993, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt, um im Lichte dieser Bestimmungen die italienischen Rechtsvorschriften über den Geschäftsschluß der Einzelhandelsgeschäfte an Sonntagen beurteilen zu können.

2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen von Maßnahmen, die die öffentliche Verwaltung gegen die Betreiber von zwei Supermärkten wegen Verstosses gegen die genannten Rechtsvorschriften getroffen hatte.

3 Das italienische Gesetz Nr. 558 vom 28. Juli 1971 regelt die Öffnungszeiten der Geschäfte und den Verkauf im Einzelhandel. Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a dieses Gesetzes sieht vorbehaltlich der im Gesetz geregelten Ausnahmefälle die völlige Schließung der Geschäfte an Sonn- und Feiertagen vor.

4 Artikel 10 des Gesetzes sieht für den Fall der Zuwiderhandlung Verwaltungssanktionen vor. Die Durchführungsbestimmungen hinsichtlich der Öffnungszeiten werden von den Regionen erlassen. Mit der Überwachung der Einhaltung der geltenden Vorschriften sind die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden betraut, die Sanktionen erlassen können.

5 Die Klägerinnen der Ausgangsverfahren betreiben einen im Gebiet der Gemeinde Capena belegenen Supermarkt bzw. ein im Gebiet der Gemeinde Torri di Quartesolo belegenes Einkaufszentrum. Da diese Geschäfte an mehreren Sonn- und Feiertagen geöffnet geblieben waren, hatten die Bürgermeister dieser beiden Gemeinden ihre Betreiber mit Verwaltungssanktionen belegt.

6 Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens riefen daraufhin das zuständige Gericht an. Sie machten geltend, ein wesentlicher Teil des Umsatzes in den in Rede stehenden Geschäften werde mit Waren getätigt, die aus anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft stammten. Die betreffenden nationalen Bestimmungen verstießen daher gegen Artikel 30 EWG-Vertrag.

7 Die Pretura circondariale Rom, Auswärtige Kammer Castelnuovo di Porto, hat demgemäß das Verfahren ausgesetzt, und dem Gerichtshof in der Rechtssache C-69/93 folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Ist eine nationale Rechtsvorschrift, die (ausser für einige Erzeugnisse) den Einzelhändlern den Geschäftsschluß an Sonntagen vorschreibt, jedoch nicht verbietet, an diesem Tag zu arbeiten, und die den Einzelhändlern, die gegen diese Verpflichtung verstossen haben, die Sanktion der Zwangssc...

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