Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Steuerrecht. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Berichtigung von Rechnungen. Fälschlich in Rechnung gestellte Steuer. Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Steuer. Umkehrung der Steuerschuldnerschaft der Mehrwertsteuer (Reverse-Charge-Verfahren). Umsätze eines Besteuerungszeitraums, der bereits Gegenstand einer Steuerprüfung war. Steuerneutralität. Effektivitätsgrundsatz. Verhältnismäßigkeit
Normenkette
EGRL 112/2006
Beteiligte
Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Timişoara – Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Arad – Serviciul Inspecţie Fiscală Persoane Juridice 5 |
ANAF Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Timişoara Serviciul de Soluţionare a Contestaţiilor |
Verfahrensgang
Curtea de Apel Timisoara (Rumänien) (Beschluss vom 21.11.2018; ABl. EU 2019, Nr. C 131/21) |
Tenor
Die Bestimmungen der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2013/43/EU des Rates vom 22. Juli 2013 geänderten Fassung sowie die Grundsätze der Steuerneutralität, der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung oder einer nationalen Verwaltungspraxis entgegenstehen, die einem Steuerpflichtigen, der Umsätze getätigt hat, bei denen sich später herausgestellt hat, dass auf sie die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft anzuwenden ist, das Recht, die Rechnungen für diese Umsätze zu korrigieren und sich, um die Erstattung der von ihm rechtsgrundlos in Rechnung gestellten und entrichteten Mehrwertsteuer zu erlangen, hierauf zu berufen, indem er eine frühere Steuererklärung berichtigt oder eine neue, auf der genannten Rechnungskorrektur basierende Steuererklärung abgibt, mit der Begründung versagt, dass der Zeitraum, in dem diese Umsätze getätigt worden seien, bereits Gegenstand einer Steuerprüfung gewesen sei, nach der die zuständige Steuerbehörde einen Steuerbescheid erlassen habe, der bestandskräftig geworden sei, da der Steuerpflichtige keinen Einspruch eingelegt habe.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Timişoara (Berufungsgericht Timişoara, Rumänien) mit Entscheidung vom 21. November 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Dezember 2018, in dem Verfahren
SC Terracult SRL
gegen
Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Timişoara – Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Arad – Serviciul Inspecţie Fiscală Persoane Juridice 5,
ANAF Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Timişoara Serviciul de Soluţionare a Contestaţiilor
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász (Berichterstatter), M. Ilešič und C. Lycourgos,
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 2020,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der SC Terracult SRL, vertreten durch I. Kocsis-Josan, avocată,
- der rumänischen Regierung, ursprünglich vertreten durch E. Gane, R. I. Haţieganu, A. Wellman, O.-C. Ichim und C.-R. Canţăr, dann durch E. Gane, R. I. Haţieganu, A. Wellman und O.-C. Ichim als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia und N. Gossement als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. März 2020
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2013/43/EU des Rates vom 22. Juli 2013 (ABl. 2013, L 201, S. 4) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) sowie der Grundsätze der steuerlichen Neutralität, der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SC Terracult SRL, einer Handelsgesellschaft rumänischen Rechts (im Folgenden: Terracult), auf der einen Seite und der Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Timişoara – Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Arad – Serviciul Inspecţie Fiscală Persoane Juridice 5 (Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Temeschwar – Kreisverwaltung für öffentliche Finanzen Arad – Steuerprüfungsdienst für juristische Personen 5, Rumänien) sowie der ANAF Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Timişoara Serviciul de Soluţionare a Contestaţiilor (Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Temeschwar – Rechtsbehelfsstelle, Rumänien) auf der anderen Seite über einen Antrag auf Aufhebung eines Steuerbescheids, mit dem dieser Gesellschaft das Recht auf Erstattung der Mehrwertsteuer versagt und sie zur Zahlung zusätzlicher Mehrwertsteuer verpflichtet wurde.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 193 der Mehrwertsteuerrichtl...