Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Anerkennung von Berufsqualifikationen. Anwendungsbereich. Voraussetzungen für die Erlangung der Berechtigung, den Arztberuf im Aufnahmemitgliedstaat selbstständig auszuüben. Im Herkunftsmitgliedstaat ausgestelltes Diplom. Befristung der Berechtigung zur Ausübung des Arztberufs auf drei Jahre. Aufsicht durch einen zugelassenen Arzt und gleichzeitige Absolvierung der dreijährigen besonderen Ausbildung in Allgemeinmedizin
Normenkette
Richtlinie 2005/36/EG; AEUV Art. 45, 49
Beteiligte
Sosiaali- ja terveysalan lupa- ja valvontavirasto |
Tenor
Die Art. 45 und 49 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie es der zuständigen Behörde des Aufnahmemitgliedstaats verwehren, einer Person auf der Grundlage der nationalen Rechtsvorschriften eine Erlaubnis zur Ausübung des Arztberufs zu erteilen, die auf drei Jahre befristet und an die zweifache Bedingung geknüpft ist, dass die betroffene Person ihre Tätigkeit unter der Leitung und Aufsicht eines zugelassenen Arztes ausübt sowie in diesem Zeitraum die besondere dreijährige Ausbildung in Allgemeinmedizin erfolgreich abschließt, um die Berechtigung erlangen zu können, den Arztberuf im Aufnahmemitgliedstaat selbstständig auszuüben, wenn berücksichtigt wird, dass die betroffene Person, die im Herkunftsmitgliedstaat eine ärztliche Grundausbildung absolviert hat, über den in Anhang V Nr. 5.1.1 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 in der durch die Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 geänderten Fassung genannten Ausbildungsnachweis in Bezug auf das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland, aber nicht über die darin genannte Bescheinigung verfügt, mit der der Abschluss eines einjährigen Berufspraktikums nachgewiesen wird, das von dem Herkunftsmitgliedstaat als zusätzliche Voraussetzung der Berufsqualifikationen verlangt wird.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht, Finnland) mit Entscheidung vom 25. November 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 25. November 2020, in dem Verfahren
A,
Beteiligte:
Sosiaali- ja terveysalan lupa- ja valvontavirasto,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin I. Ziemele, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen (Berichterstatter) und des Richters A. Kumin,
Generalanwalt: A. Rantos,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen:
- der finnischen Regierung, vertreten durch M. Pere als Bevollmächtigte,
- der norwegischen Regierung, vertreten durch I. Meinich, K. S. Borge und T. Sunde als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Huttunen, L. Armati und T. Sevón als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 45 und 49 AEUV.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines von A angestrengten Verfahrens wegen der Entscheidung der Sosiaali- ja terveysalan lupa- ja valvontavirasto (Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde für die Bereiche Soziales und Gesundheit, Finnland) (im Folgenden: Valvira), A die Erlaubnis zur Ausübung des Arztberufs in Finnland auf drei Jahre befristet als zugelassene Berufsangehörige unter der Leitung und Aufsicht eines zur selbstständigen Berufsausübung berechtigten, zugelassenen Arztes zu erteilen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 1 („Gegenstand”) der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. 2005, L 255, S. 22) in der durch die Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 (ABl. 2013, L 354, S. 132) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2005/36) sieht vor:
„Diese Richtlinie legt die Vorschriften fest, nach denen ein Mitgliedstaat, der den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung in seinem Hoheitsgebiet an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen knüpft (im Folgenden: Aufnahmemitgliedstaat), für den Zugang zu diesem Beruf und dessen Ausübung die in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten (im Folgenden: Herkunftsmitgliedstaat) erworbenen Berufsqualifikationen anerkennt, die ihren Inhaber berechtigen, dort denselben Beruf auszuüben.
Mit dieser Richtlinie werden auch Regeln über den partiellen Zugang zu einem reglementierten Beruf sowie die Anerkennung von in einem anderen Mitgliedstaat absolvierten Berufspraktika festgelegt.”
Rz. 4
Art. 4 („Wirkungen der Anerkennung”) bestimmt in Abs. 1: „Die Anerkennung der Berufsqualifikationen durch den Aufnahmemitgliedstaat ermöglicht es den begünstigten Personen, in diesem Mitgliedstaat denselben Beruf wie den, für den sie in ihrem Herkunftsmitgliedstaat qual...