Entscheidungsstichwort (Thema)
ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM RAAD VAN STATE. FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER – BEGRIFF DES ARBEITNEHMERS. FREIZUEGIGKEIT – ARBEITNEHMER – BEGRIFF – WEITE AUSLEGUNG – AUSÜBUNG EINER TATSÄCHLICHEN UND ECHTEN ERWERBSTÄTIGKEIT – INANSPRUCHNAHME EINER FINANZIELLEN UNTERSTÜTZUNG AUS ÖFFENTLICHEN MITTELN – KEINE AUSWIRKUNG (EWG-VERTRAG, ARTIKEL 48)
Leitsatz (amtlich)
DIE BEGRIFFE ARBEITNEHMER UND TÄTIGKEIT IM LOHN- ODER GEHALTSVERHÄLTNIS LEGEN DEN GELTUNGSBEREICH EINER DER VOM EWG-VERTRAG GARANTIERTEN GRUNDFREIHEITEN FEST UND SIND DAHER WEIT, DIE AUSNAHMEN UND ABWEICHUNGEN VOM GRUNDSATZ DER FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER DAGEGEN ENG AUSZULEGEN.
DAHER FÜHRT DER UMSTAND, DASS EIN ANGEHÖRIGER EINES MITGLIEDSTAATS, DER IM HOHEITS GEBIET EINES ANDEREN MITGLIEDSTAATS EINE TÄTIGKEIT AUSÜBT, DIE FÜR SICH GENOMMEN EINE TATSÄCHLICHE UND ECHTE ERWERBSTÄTIGKEIT IST, ZUR ERGÄNZUNG SEINER EINKÜNFTE AUS DIESER TÄTIGKEIT EINE FINANZIELLE UNTERSTÜTZUNG AUS ÖFFENTLICHEN MITTELN DIESES MITGLIEDSTAATS IN ANSPRUCH NIMMT, NICHT DAZU, DASS DIE VORSCHRIFTEN DES GEMEINSCHAFTSRECHTS ÜBER DIE FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER FÜR IHN NICHT GELTEN.
Normenkette
EWGVtr Art. 48
Beteiligte
Staatssecretaris van Justitie |
Tenor
DER UMSTAND, DASS EIN ANGEHÖRIGER EINES MITGLIEDSTAATS, DER IM HOHEITSGEBIET EINES ANDEREN MITGLIEDSTAATS EINE TÄTIGKEIT AUSÜBT, DIE FÜR SICH GENOMMEN EINE TATSÄCHLICHE UND ECHTE ERWERBSTÄTIGKEIT IST, ZUR ERGÄNZUNG SEINER EINKÜNFTE AUS DIESER TÄTIGKEIT EINE FINANZIELLE UNTERSTÜTZUNG AUS ÖFFENTLICHEN MITTELN DIESES MITGLIEDSTAATS IN ANSPRUCH NIMMT, FÜHRT NICHT DAZU, DASS DIE VORSCHRIFTEN DES GEMEINSCHAFTSRECHTS ÜBER DIE FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER FÜR IHN NICHT GELTEN.
Gründe
1 DER NIEDERLÄNDISCHE RAAD VAN STATE HAT MIT ZWISCHENURTEIL VOM 23. APRIL 1985, BEIM GERICHTSHOF EINGEGANGEN AM 9. MAI 1985, GEMÄSS ARTIKEL 177 EWG-VERTRAG EINE FRAGE NACH DER AUSLEGUNG DER GEMEINSCHAFTSRECHTLICHEN VORSCHRIFTEN ÜBER DIE FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER INNERHALB DER GEMEINSCHAFT ZUR VORABENTSCHEIDUNG VORGELEGT.
2 DER DEUTSCHE STAATSANGEHÖRIGE R. H. KEMPF, KLÄGER DES AUSGANGSVERFAHRENS, REISTE AM 1. SEPTEMBER 1981 IN DIE NIEDERLANDE EIN. ER HATTE DORT EINE TEILZEITARBEIT ALS MUSIKLEHRER. VOM 26. OKTOBER 1981 BIS ZUM 14. JULI 1982 UNTERRICHTETE ER ZWÖLF STUNDEN WÖCHENTLICH UND BEZOG DAFÜR EIN MONATSGEHALT VON ZULETZT 984 HFL BRUTTO. AUF SEINEN ANTRAG HIN ERHIELT ER WÄHREND DIESES ZEITRAUMS EINE ZUSÄTZLICHE UNTERSTÜTZUNG NACH DER WET WERKLOOSHEIDSVOORZIENING (GESETZ ZUR REGELUNG STAATLICHER LEISTUNGEN FÜR ARBEITSLOSE ARBEITNEHMER). DIE LEISTUNGEN NACH DIESEM GESETZ, DIE AUS ÖFFENTLICHEN MITTELN FINANZIERT WERDEN, WERDEN PERSONEN GEWÄHRT, DIE DEN STATUS EINES ARBEITNEHMERS HABEN.
3 DER KLÄGER ERHIELT SPÄTER AUFGRUND EINER KRANKHEITSBEDINGTEN ARBEITSUNFÄHIGKEIT LEISTUNGEN DER SOZIALEN SICHERHEIT NACH DER ZIEKTEWET (KRANKENVERSICHERUNGSGESETZ). AUSSERDEM ERHIELT ER EINE ZUSÄTZLICHE UNTERSTÜTZUNG NACH DER GENANNTEN WET WERKLOOSHEIDSVOORZIENING SOWIE LEISTUNGEN NACH DER ALGEMENE BIJSTANDSWET (SOZIALHILFEGESETZ). DAS LETZTGENANNTE GESETZ SIEHT EIN ALLGEMEINES SYSTEM DER SOZIALHILFE FÜR BEDÜRFTIGE PERSONEN VOR, WOBEI DIE KOSTEN DER FINANZIERUNG DIESES SYSTEMS IN VOLLEM UMFANG AUS ÖFFENTLICHEN MITTELN BESTRITTEN WERDEN.
4 AM 30. NOVEMBER 1981 STELLTE DER KLÄGER EINEN ANTRAG AUF AUFENTHALTSERLAUBNIS FÜR DIE NIEDERLANDE, UM EINE UNSELBSTÄNDIGE ERWERBSTÄTIGKEIT AUSÜBEN ZU KÖNNEN. DIESE ERLAUBNIS WURDE IHM VOM LEITER DER ÖRTLICHEN POLIZEIBEHÖRDE MIT BESCHEID VOM 17. AUGUST 1982 VERSAGT. DER KLÄGER LEGTE DARAUFHIN BEIM STAATSSECRETARIS VAN JUSTITIE, DEM BEKLAGTEN DES AUSGANGSVERFAHRENS, WIDERSPRUCH EIN, DER MIT BESCHEID VOM 9. DEZEMBER 1982 EBENFALLS ZURÜCKGEWIESEN WURDE, UND ZWAR UNTER ANDEREM MIT DER BEGRÜNDUNG, DER KLÄGER SEI KEIN BEGÜNSTIGTER EWG-BÜRGER IM SINNE DER NIEDERLÄNDISCHEN AUSLÄNDERPOLIZEILICHEN RECHTSVORSCHRIFTEN, DA ER DIE NIEDERLÄNDISCHE STAATSKASSE IN ANSPRUCH GENOMMEN HABE UND DAHER OFFENKUNDIG NICHT IN DER LAGE SEI, MIT SEINEN EINKÜNFTEN AUS SEINER ARBEITNEHMERTÄTIGKEIT SEINEN LEBENSUNTERHALT ZU BESTREITEN.
5 MIT SCHRIFTSATZ VOM 10. JANUAR 1983 ERHOB DER KLÄGER BEIM NIEDERLÄNDISCHEN RAAD VAN STATE, STREITSACHENABTEILUNG, KLAGE GEGEN DEN GENANNTEN WIDERSPRUCHSBESCHEID. IM RAHMEN DIESES RECHTSSTREITS HAT DAS NATIONALE GERICHT DAS VERFAHREN AUSGESETZT UND DEM GERICHTSHOF FOLGENDE FRAGE ZUR VORABENTSCHEIDUNG VORGELEGT :
„FÜHRT DER UMSTAND, DASS EIN ANGEHÖRIGER EINES MITGLIEDSTAATS, DER IM HOHEITSGEBIET EINES ANDEREN MITGLIEDSTAATS EINE TÄTIGKEIT AUSÜBT, DIE FÜR SICH GENOMMEN EINE TATSÄCHLICHE UND ECHTE ERWERBSTÄTIGKEIT IM SINNE DES URTEILS DES GERICHTSHOFES IN DER RECHTSSACHE LEVIN IST, ZUR ERGÄNZUNG SEINER EINKÜNFTE AUS DIESER TÄTIGKEIT EINE FINANZIELLE UNTERSTÜTZUNG AUS ÖFFENTLICHEN MITTELN DIESES MITGLIEDSTAATS IN ANSPRUCH NIMMT, DAZU, DASS DIE VORSCHRIFTEN DES GEMEINSCHAFTSRECHTS ÜBER DIE FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER FÜR IHN NICHT GELTEN?
”
6 NACH ANSICHT DES KLÄGERS UND DER KOMMIS...