Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinie 93/13/EWG. Verbraucherverträge. Vertragsklauseln, die den Hauptgegenstand des Vertrags beschreiben. Richterliche Kontrolle ihrer Missbräuchlichkeit. Ausschluss. Strengere einzelstaatliche Vorschriften, um dem Verbraucher ein höheres Schutzniveau zu gewähren
Beteiligte
Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid |
Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid |
Asociación de Usuarios de Servicios Bancarios (Ausbanc) |
Tenor
1. Art. 4 Abs. 2 und Art. 8 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, die eine richterliche Missbrauchskontrolle von Vertragsklauseln, die den Hauptgegenstand des Vertrags bzw. die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den die Gegenleistung darstellenden Dienstleistungen bzw. Gütern regeln, zulässt, auch wenn diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.
2. Die Art. 2 EG, 3 Abs. 1 Buchst. g EG und 4 Abs. 1 EG stehen einer Auslegung von Art. 4 Abs. 2 und Art. 8 der Richtlinie 93/13 nicht entgegen, wonach die Mitgliedstaaten eine nationale Regelung erlassen dürfen, die eine richterliche Missbrauchskontrolle von Vertragsklauseln, die den Hauptgegenstand des Vertrags bzw. die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den die Gegenleistung darstellenden Dienstleistungen bzw. Gütern regeln, zulässt, auch wenn diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Tribunal Supremo (Spanien) mit Entscheidung vom 20. Oktober 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 10. November 2008, in dem Verfahren
Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid
gegen
Asociación de Usuarios de Servicios Bancarios (Ausbanc)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer, des Richters E. Levits, der Richterin C. Toader sowie der Richter M. Ilešič und J.-J. Kasel,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid, vertreten durch M. Merola, avvocato, und J. Cadarso Palau, abogado,
- der Asociación de Usuarios de Servicios Bancarios (Ausbanc), vertreten durch J. Rodríguez Teijeiro, procuradora, sowie durch L. Pineda Salido und M. Mateos Ferres, abogados,
- der spanischen Regierung, vertreten durch J. López-Medel Bascones und M. Muñoz Pérez als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, H. Almeida und P. Contreiras als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Gippini Fournier und W. Wils als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 29. Oktober 2009
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 4 Abs. 2 und 8 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29, im Folgenden: Richtlinie).
Rz. 2
Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid (im Folgenden: Caja de Madrid) und der Asociación de Usuarios de Servicios Bancarios (Vereinigung der Nutzer von Bankdienstleistungen, im Folgenden: Ausbanc) wegen der Rechtmäßigkeit einer Klausel, die von Caja de Madrid in Kreditverträgen mit variablem Zinssatz verwendet wurde, die sie mit ihren Kunden zur Finanzierung des Kaufs von Wohnungen abgeschlossen hat.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 12 und 19 der Richtlinie lauten:
„Beim derzeitigen Stand der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften kommt allerdings nur eine teilweise Harmonisierung in Betracht. So gilt diese Richtlinie insbesondere nur für Vertragsklauseln, die nicht einzeln ausgehandelt wurden. Den Mitgliedstaaten muss es freigestellt sein, dem Verbraucher unter Beachtung des [EWG-]Vertrags einen besseren Schutz durch strengere einzelstaatliche Vorschriften als den in dieser Richtlinie enthaltenen Vorschriften zu gewähren.
…
Für die Zwecke dieser Richtlinie dürfen Klauseln, die den Hauptgegenstand eines Vertrages oder das Preis-/Leistungsverhältnis der Lieferung bzw. der Dienstleistung beschreiben, nicht als missbräuchlich beurteilt werden. Jedoch können der Hauptgegenstand des Vertrages und das Preis-/Leistungsverhältnis bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit anderer Klauseln berücksichtigt werden. Daraus folgt unter anderem, dass bei Versicherungsverträgen die Klauseln, in denen das versiche...