Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinie 87/102/EWG. Verbraucherkredit. Berechtigung des Verbrauchers, im Fall der Nicht- oder Schlechterfüllung des Vertrags, der die durch den Kredit finanzierten Waren oder Dienstleistungen zum Gegenstand hat, Rechte gegen den Kreditgeber geltend zu machen. Voraussetzungen. Angabe der finanzierten Ware oder Dienstleistung im Kreditangebot. Krediteröffnung, die eine wiederholte Nutzung des gewährten Kredits erlaubt. Befugnis des innerstaatlichen Gerichts, die Berechtigung des Verbrauchers, Rechte gegen den Kreditgeber geltend zu machen, von Amts wegen zu berücksichtigen
Beteiligte
Marie-Jeanne Godard, verehelichte Rampion |
Tenor
1. Die Art. 11 und 14 der Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit in der durch die Richtlinie 98/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass es ihnen zuwiderläuft, die in Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie vorgesehene Berechtigung des Verbrauchers, Rechte gegen den Kreditgeber geltend zu machen, davon abhängig zu machen, dass in dem vorausgehenden Kreditangebot die finanzierte Sache oder Dienstleistung angegeben ist.
2. Die Richtlinie 87/102 in der Fassung der Richtlinie 98/7 ist dahin auszulegen, dass sie es dem innerstaatlichen Gericht erlaubt, die Vorschriften, mit denen Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie in das innerstaatliche Recht umgesetzt wird, von Amts wegen anzuwenden.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Tribunal d'instance de Saintes (Frankreich) mit Entscheidung vom 16. November 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Dezember 2005, in dem Verfahren
Max Rampion
Marie-Jeanne Godard, verehelichte Rampion
gegen
Franfinance SA
K par K SAS
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, M. Ilešič und E. Levits,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: M.-A. Gaudissart, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2007,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Franfinance SA, vertreten durch B. Soltner, avocat,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und R. Loosli-Surrans als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und A. Dittrich als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch F. Díez Moreno als Bevollmächtigten,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Aresu und J.-P. Keppenne als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. März 2007
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (ABl. 1987, L 42, S. 48) in der durch die Richtlinie 98/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 (ABl. L 101, S. 17) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 87/102 oder Richtlinie), insbesondere ihrer Art. 11 und 14.
2 Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Rampion und Frau Godard, verehelichte Rampion (im Folgenden: Eheleute Rampion), gegen die Gesellschaften Franfinance SA (im Folgenden: Franfinance) und K par K SAS (im Folgenden: K par K) betreffend einen Kaufvertrag über Fenster und die zur Finanzierung dieses Vertrags verwendete Krediteröffnung (ouverture de crédit).
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Die Richtlinie 87/102 bezweckt die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit.
4 Art. 11 dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass das Bestehen eines Kreditvertrages in keiner Weise die Rechte des Verbrauchers gegenüber dem Lieferanten von Waren bzw. Erbringer von Dienstleistungen beeinträchtigt, falls die betreffenden Waren bzw. Dienstleistungen, die mit Hilfe dieses Kreditvertrages erworben werden, nicht geliefert bzw. erbracht werden oder in anderer Weise nicht vertragsmäßig sind.
(2) Wenn
- für den Bezug von Waren oder Dienstleistungen ein Kredit mit einer anderen Person als dem Lieferanten vereinbart worden ist und
- zwischen dem Kreditgeber und dem Lieferanten der Waren oder Dienstleistungen eine vorherige Abmachung besteht, wonach Kredite an Kunden dieses Lieferanten zum Zwecke des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen des betreffenden Lieferanten ausschließlich von dem betreffenden Kreditgeber bereitgestellt...