Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Im Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorgesehene Frist für die Vollziehung eines Arrestbefehls. Anwendbarkeit dieser Frist auf einen in einem anderen Mitgliedstaat erlangten und im Vollstreckungsmitgliedstaat für vollstreckbar erklärten Arresttitel

 

Normenkette

EGV Nr. 44/2001

 

Beteiligte

Società Immobiliare Al Bosco

Società Immobiliare Al Bosco Srl

 

Tenor

Art. 38 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass er der Anwendung einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, nach der für die Vollziehung eines Arrestbefehls eine Frist gilt, nicht entgegensteht, wenn es um einen Arrestbefehl geht, der in einem anderen Mitgliedstaat erlassen wurde und dem im Vollstreckungsmitgliedstaat Vollstreckbarkeit beigelegt worden ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 11. Mai 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Juni 2017, in dem Verfahren auf Betreiben der

Società Immobiliare Al Bosco Srl

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Rosas, der Richterinnen C. Toader (Berichterstatterin) und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. April 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, J. Techert und M. Hellmann als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. Juni 2018

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 38 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines von der Società Immobiliare Al Bosco Srl (im Folgenden: Al Bosco) betriebenen Verfahrens, mit dem diese die Vollstreckung einer Verfügung über eine Sicherstellungsbeschlagnahme, die vom Tribunale di Gorizia (Gericht Gorizia, Italien) gegen Herrn Gunter Hober erlassen und vom Landgericht München (Deutschland) für in Deutschland vollstreckbar erklärt wurde, in Deutschland durch Eintragung einer Sicherungshypothek an Grundbesitz begehrt.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 2, 6, 10, 16 und 17 der Verordnung Nr. 44/2001 heißt es:

„(2) Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen erschweren das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen.

(6) Um den freien Verkehr der Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu gewährleisten, ist es erforderlich und angemessen, dass die Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen im Wege eines Gemeinschaftsrechtsakts festgelegt werden, der verbindlich und unmittelbar anwendbar ist.

(10) Um den freien Verkehr gerichtlicher Entscheidungen zu gewährleisten, sollten die in einem durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in einem anderen durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaat anerkannt und vollstreckt werden …

(16) Das gegenseitige Vertrauen in die Justiz im Rahmen der Gemeinschaft rechtfertigt, dass die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, außer im Falle der Anfechtung, von Rechts wegen, ohne ein besonderes Verfahren, anerkannt werden.

(17) Aufgrund dieses gegenseitigen Vertrauens ist es auch gerechtfertigt, dass das Verfahren, mit dem eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung für vollstreckbar erklärt wird, rasch und effizient vonstatten geht. Die Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung muss daher fast automatisch nach einer einfachen formalen Prüfung der vorgelegten Schriftstücke erfolgen, ohne dass das Gericht die Möglichkeit hat, von Amts wegen eines der in dieser Verordnung vorgesehenen Vollstreckungshindernisse aufzugreifen.”

Rz. 4

Art. 38 Abs. 1 dieser Verordnung lautet:

„Die in einem Mitgliedstaat e...

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