Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Schutz personenbezogener Daten. Haftung und Recht auf Schadenersatz. Rechtswidrige Datenverarbeitung. Verletzung des Rechts auf Schutz personenbezogener Daten. Schadensbegriff. Ersatz eines immateriellen Schadens in Form einer Entschuldigung. Zulässigkeit. Effektivitätsgrundsatz. Beurteilung der Form und der Höhe des Schadenersatzes. Etwaige Berücksichtigung der Haltung und der Beweggründe des Verantwortlichen
Normenkette
EUVO 679/2016 Art. 82 Abs. 1
Beteiligte
Patērētāju tiesību aizsardzības centrs |
Patērētāju tiesību aizsardzības centrs |
Tenor
1.Art. 82 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union
dahin auszulegen, dass
ein Verstoß gegen Bestimmungen dieser Verordnung für sich genommen nicht ausreicht, um einen „Schaden“ im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO darzustellen.
2.Art. 82 Abs. 1 der Verordnung 2016/679
ist dahin auszulegen, dass
eine Entschuldigung einen angemessenen Ersatz eines immateriellen Schadens auf der Grundlage dieser Bestimmung darstellen kann, insbesondere, wenn es nicht möglich ist, die Lage vor dem Eintritt des Schadens wiederherzustellen, sofern diese Form des Schadenersatzes geeignet ist, den der betroffenen Person entstandenen Schaden in vollem Umfang auszugleichen.
3.Art. 82 Abs. 1 der Verordnung 2016/679
ist dahin auszulegen, dass
er der Möglichkeit entgegensteht, die Haltung und die Beweggründe des Verantwortlichen zu berücksichtigen, um der betroffenen Person gegebenenfalls einen Schadenersatz zu gewähren, der geringer ist als der Schaden, der ihr konkret entstanden ist.
Tatbestand
In der Rechtssache C-507/23
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Augstākā tiesa (Senāts) (Oberstes Gericht, Lettland) mit Entscheidung vom 7. August 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 8. August 2023, in dem Verfahren
A
gegen
Patērētāju tiesību aizsardzības centrs
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Piçarra sowie der Richter N. Jääskinen (Berichterstatter) und M. Gavalec,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der lettischen Regierung, vertreten durch J. Davidoviča und K. Pommere als Bevollmächtigte,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Bouchagiar, H. Kranenborg und I. Naglis als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 82 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1, im Folgenden: DSGVO).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen A und dem Patērētāju tiesību aizsardzības centrs (Verbraucherschutzbehörde, Lettland) (im Folgenden: PTAC) wegen Ersatz des immateriellen Schadens, den der Kläger des Ausgangsverfahrens nach eigener Aussage dadurch erlitten hat, dass das PTAC einige seiner personenbezogenen Daten ohne seine Zustimmung verarbeitet habe.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 1, 75, 85, 146 und 148 der DSGVO lauten:
„(1) Der Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten ist ein Grundrecht. Gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden ‚Charta‘) sowie Artikel 16 Absatz 1 [AEUV] hat jede Person das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.
…
(75) Die Risiken für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen – mit unterschiedlicher Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere – können aus einer Verarbeitung personenbezogener Daten hervorgehen, die zu einem physischen, materiellen oder immateriellen Schaden führen könnte, insbesondere wenn die Verarbeitung zu … einer Rufschädigung … oder anderen erheblichen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Nachteilen führen kann, wenn die betroffenen Personen um ihre Rechte und Freiheiten gebracht oder daran gehindert werden, die sie betreffenden personenbezogenen Daten zu kontrollieren, …
…
(85) Eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten kann – wenn nicht rechtzeitig und angemessen reagiert wird – einen physischen, materiellen oder immateriellen Schaden für natürliche Personen nach sich ziehen, wie etwa Verlust der Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten oder Einschränkung ihrer Rechte, … Rufschädigung, … oder andere erh...