Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeitsklage. Staatliche Beihilfen. Durch die Republik Litauen gewährte Beihilfe für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen. Befugnisse des Rates der Europäischen Union. Bestehende Beihilferegelungen. Zweckdienliche Maßnahmen. Untrennbarkeit zweier Beihilferegelungen. Veränderte Umstände. Außergewöhnliche Umstände. Wirtschaftskrise. Offensichtlicher Beurteilungsfehler. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Normenkette
AEUV Art. 108 Abs. 1-2
Beteiligte
Rat der Europäischen Union |
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.
3. Die Republik Litauen, Ungarn und die Republik Polen tragen ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 26. Februar 2010,
Europäische Kommission, vertreten durch V. Di Bucci, L. Flynn, B. Stromsky und A. Stobiecka-Kuik als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Rat der Europäischen Union, vertreten durch É. Sitbon und F. Florindo Gijón als Bevollmächtigte,
Beklagter,
unterstützt durch
Republik Litauen, vertreten durch D. Kriauciunas und L. Liubertaitė als Bevollmächtigte,
Ungarn, vertreten durch G. Koós, M. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,
Republik Polen, vertreten durch M. Szpunar als Bevollmächtigten,
Streithelfer,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten L. Bay Larsen (Berichterstatter), E. Juhász, A. Borg Barthet, C. G. Fernlund und J. L. da Cruz Vilaça, der Richter A. Rosas, G. Arestis und J. Malenovský, der Richterin A. Prechal sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. Vajda,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Januar 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission die Nichtigerklärung des Beschlusses 2009/983/EU des Rates vom 16. Dezember 2009 über die Gewährung einer staatlichen Beihilfe durch die Behörden der Republik Litauen für den Erwerb staatlicher landwirtschaftlicher Flächen zwischen dem 1. Januar 2010 und dem 31. Dezember 2013 (ABl. L 338, S. 93, im Folgenden: angefochtener Beschluss).
Rechtlicher Rahmen
Verordnung (EG) Nr. 659/1999
Rz. 2
Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. L 83, S. 1) sieht vor:
„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
…
b) ‚bestehende Beihilfen’
…
ii) genehmigte Beihilfen, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die von der Kommission oder vom Rat [der Europäischen Union] genehmigt wurden;
…
c) ‚neue Beihilfen’ alle Beihilfen, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die keine bestehenden Beihilfen sind, einschließlich Änderungen bestehender Beihilfen;
…”
Rz. 3
Art. 17 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 bestimmt:
„Gelangt die Kommission zur vorläufigen Auffassung, dass eine bestehende Beihilferegelung nicht oder nicht mehr mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, so setzt sie den betreffenden Mitgliedstaat hiervon in Kenntnis und gibt ihm Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von einem Monat. …”
Rz. 4
Art. 18 der Verordnung Nr. 659/1999 sieht vor:
„Gelangt die Kommission aufgrund der von dem betreffenden Mitgliedstaat nach Artikel 17 übermittelten Auskünfte zu dem Schluss, dass die bestehende Beihilferegelung mit dem Gemeinsamen Markt nicht oder nicht mehr vereinbar ist, so schlägt sie dem betreffenden Mitgliedstaat zweckdienliche Maßnahmen vor. …”
Rz. 5
Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 lautet:
„Wenn der betreffende Mitgliedstaat den vorgeschlagenen Maßnahmen zustimmt und die Kommission hiervon in Kenntnis setzt, hält die Kommission dies fest und unterrichtet den Mitgliedstaat hiervon. Der Mitgliedstaat ist aufgrund seiner Zustimmung verpflichtet, die zweckdienlichen Maßnahmen durchzuführen.”
Verordnung (EG) Nr. 1857/2006
Rz. 6
Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1857/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 über die Anwendung der Artikel [107 AEUV] und [108 AEUV] auf staatliche Beihilfen an kleine und mittlere in der Erzeugung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen tätige Unternehmen und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 70/2001 (ABl. L 358, S. 3) bestimmt:
„(1) Beihilfen für Investitionen in landwirtschaftlichen Betrieben innerhalb der [Europäischen Union] zur Primärproduktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse sind mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel [107 Abs. 3 Buchst. c AEUV] vereinbar und von der Anmeldepflicht gemäß Artikel [108 Abs. 3 AEUV] freigestellt, wenn sie die Bedingungen der Absätze 2 bis 10 des vorliegenden Artikels erfüllen.
…
(8) Für den Erwerb von Grundstücken, außer für Bauzwecke, können für Kosten von bis zu 10 % der zuschussfähigen Ausgaben der Investi...