Entscheidungsstichwort (Thema)
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Begriff der Familienleistungen. Gewährung von Unterhaltsvorschüssen. Voraussetzung des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland für das minderjährige Kind. Ausfuhr von Leistungen in das Ausland
Beteiligte
Tenor
a) Eine Leistung wie der Unterhaltsvorschuss nach dem österreichischen Bundesgesetz über die Gewährung von Vorschüssen auf den Unterhalt von Kindern (Unterhaltsvorschussgesetz) von 1985 ist eine Familienleistung im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung.
b) Eine Person, die zumindest einen Elternteil hat, der tätiger oder arbeitsloser Arbeitnehmer ist, fällt als Familienangehöriger eines Arbeitnehmers im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Buchstabe f Ziffer i der Verordnung Nr. 1408/71 in den persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung.
c) Die Artikel 73 und 74 der Verordnung Nr. 1408/71 sind so auszulegen, dass ein minderjähriges Kind, das zusammen mit dem sorgeberechtigten Elternteil in einem anderen als dem die Leistung erbringenden Mitgliedstaat wohnt und dessen anderer, zu Unterhaltungszahlungen verpflichteter Elternteil in dem die Leistung erbringenden Mitgliedstaat tätiger oder arbeitsloser Arbeitnehmer ist, Anspruch auf eine Familienleistung wie den Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz hat.
Tatbestand
In der Rechtssache C-255/99
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom österreichischen Obersten Gerichtshof in der bei diesem anhängigen Pflegschaftssache der minderjährigen
Anna Humer
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 3, 4 Absatz 1 Buchstabe h, 73 und 74 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung sowie der Artikel 3 Absatz 1 und 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2)
erlässt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten der Ersten und der Fünften Kammer P. Jann in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, der Kammerpräsidentinnen F. Macken und N. Colneric sowie der Richter C. Gulmann, D. A. O. Edward (Berichterstatter), A. La Pergola, M. Wathelet, R. Schintgen und V. Skouris,
Generalanwalt: S. Alber
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- von Anna Humer, vertreten durch Rechtsanwalt A. Frischenschlager,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und B. Muttelsee-Schön als Bevollmächtigte,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Hillenkamp und W. Bogensberger als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Anna Humer, vertreten durch Rechtsanwalt A. Frischenschlager, der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer, der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten, der schwedischen Regierung, vertreten durch A.-K. Holland als Bevollmächtigte und der Kommission, vertreten durch W. Bogensberger, in der Sitzung vom 5. Dezember 2000,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Februar 2001,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1.
Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 23. Juni 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Juli 1999, gemäß Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 3, 4 Absatz 1 Buchstabe h, 73 und 74 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) sowie der Artikel 3 Absatz 1 und 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich in der Pflegschaftssache der durch ihre Mutter vertretenen Anna Humer, eines minderjährigen Kindes geschiedener Eltern, wegen Gewährung von Vor...