Entscheidungsstichwort (Thema)
Milchsektor, Referenzmenge, Begriff der einzelbetrieblichen Referenzmenge, Neuzuweisung des ungenutzten Anteils der für Lieferungen zugewiesenen einzelstaatlichen Referenzmenge
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 des Rates vom 29. September 2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2217/2004 des Rates vom 22. Dezember 2004 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Neuzuweisung des ungenutzten Anteils der für Lieferungen zugewiesenen einzelstaatlichen Referenzmenge proportional zur einzelbetrieblichen Referenzmenge der einzelnen Erzeuger, die Überlieferungen vorgenommen haben, also zu der zum 1. April des maßgebenden Zwölfmonatszeitraums bestimmten Menge, oder nach objektiven, von den Mitgliedstaaten festzulegenden Kriterien erfolgen muss. Der in dieser Bestimmung verwendete Begriff der einzelbetrieblichen Referenzmenge erlaubt nicht die Berücksichtigung von während dieses Zeitraums erfolgten Übertragungen.
2. Eine nationale Regelung, mit der die in Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1788/2003 in der durch die Verordnung Nr. 2217/2004 geänderten Fassung vorgesehene Befugnis wahrgenommen wird, objektive Kriterien festzulegen, nach denen die Neuzuweisung des ungenutzten Anteils der für Lieferungen zugewiesenen einzelstaatlichen Referenzmenge erfolgt, muss insbesondere die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts sowie die mit der gemeinsamen Agrarpolitik, speziell der gemeinsamen Marktorganisation im Milchsektor, verfolgten Ziele beachten.
3. Diese Ziele stehen einer im Rahmen der Wahrnehmung dieser Befugnis erlassenen nationalen Regelung nicht entgegen, die den Erzeugern, die Überlieferungen vorgenommen haben, sofern ihnen nach den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1788/2003 in der durch die Verordnung Nr. 2217/2004 geänderten Fassung während des maßgebenden Zwölfmonatszeitraums eine einzelbetriebliche Referenzmenge übertragen worden ist, für die von dem Erzeuger, der zuvor über sie verfügte, für denselben Zeitraum bereits Milch erzeugt und geliefert worden war, ermöglicht, unter Einschluss eines Teils oder der Gesamtheit dieser Referenzmenge an dieser Neuzuweisung teilzuhaben. Die Mitgliedstaaten hatten jedoch dafür Sorge zu tragen, dass eine solche Regelung nicht zu Übertragungen führt, die trotz formaler Einhaltung der in dieser Verordnung vorgesehenen Bedingungen nur den Zweck gehabt hätten, bestimmten Erzeugern, die Überlieferungen vorgenommen haben, zu ermöglichen, bei dieser Neuzuweisung besser dazustehen.
4. Der Begriff „prämienfähige einzelbetriebliche Referenzmenge, über die der Betrieb verfügt“ in Art. 95 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2019/93, (EG) Nr. 1452/2001, (EG) Nr. 1453/2001, (EG) Nr. 1454/2001, (EG) Nr. 1868/94, (EG) Nr. 1251/1999, (EG) Nr. 1254/1999, (EG) Nr. 1673/2000, (EWG) Nr. 2358/71 und (EG) Nr. 2529/2001 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/2005 der Kommission vom 26. Januar 2005 geänderten Fassung, der dem in Art. 5 Buchst. k der Verordnung Nr. 1788/2003 in der durch die Verordnung Nr. 2217/2004 geänderten Fassung definierten Begriff der „verfügbaren Referenzmenge“ entspricht, ist so auszulegen, dass er dann, wenn einem Erzeuger während des maßgebenden Zwölfmonatszeitraums eine Referenzmenge übertragen worden ist, auf die vom Übertragenden während desselben Zeitraums bereits Milch geliefert worden war, auf Seiten des Empfängers nicht den Teil der übertragenen Referenzmenge umfasst, auf den vom Übertragenden bereits abgabenfrei Milch geliefert worden war.
Normenkette
EGV 1788/2003 Art. 10 Abs. 3
Beteiligte
Theodor Aissen, Hermann Rohaan |
Kurt und Thomas Etling in GbR |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Landwirtschaft ‐ Sektor Milch und Milcherzeugnisse ‐ Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 ‐ Abgabe im Sektor Milch und Milcherzeugnisse ‐ Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 ‐ Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik ‐ Übertragung einzelbetrieblicher Referenzmengen ‐ Auswirkungen auf die Berechnung der Abgabe ‐ Auswirkungen auf die Berechnung der Milchprämie“
In den verbundenen Rechtssachen C-230/09 und C-231/09
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidungen vom 31. März 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Juni 2009, in den Verfahren
Hauptzollamt Koblenz (C-230/09)
gegen
Kurt und Thomas Etling in GbR,
Beteiligter:
Bundesministerium der Finanzen,
und
Hauptzollamt Oldenburg (C-231/09)
gegen
Theodor Aissen,
Hermann Rohaan,
Beteiligter:
Bundesministerium der Finanzen,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des...