Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Klage auf Feststellung des Verstoßes der Italienischen Republik gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 durch die Aufrechterhaltung nationaler Bestimmungen. Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen. Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Aufforderung an einen Mitgliedstaat zur Äußerung im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens. Gemeinschaftsrechtskonformität nationaler Gesetze hinsichtlich der Regelung von Unternehmensübergängen. Zeitpunkt der Beurteilung des Vorliegens einer Vertragsverletzung im Hinblick auf die Änderung einer Richtlinie
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
1.
Die Kommission hat mit Klageschrift, die am 29. März 2001 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26), insbesondere aus deren Artikeln 3 und 4, verstoßen hat, dass sie Artikel 47 Absätze 5 und 6 des Gesetzes Nr. 428 vom 29. Dezember 1990 mit Bestimmungen über die Erfüllung der Verpflichtungen aus der Zugehörigkeit Italiens zu den Europäischen Gemeinschaften (Gemeinschaftsgesetz für 1990) (GURI Nr. 10 vom 12. Januar 1991, supplemento ordinario, S. 5, im Folgenden: Gesetz Nr. 428/1990) aufrechterhalten hat, nach denen
- • die Regelung, dass alle Arbeitsverträge oder Arbeitsverhältnisse automatisch vom Veräußerer auf den Erwerber übergehen, nicht auf Unternehmen angewandt werden muss, über die ein gerichtlich bestätigter Vergleich zur Vermögensabtretung geschlossen worden ist oder die der außerordentlichen Verwaltung unterstellt sind, wenn diese Unternehmen ihre Tätigkeit nach dem Übergang fortsetzen, und
- • der Übergang des Personals und der Verbindlichkeiten aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen vom Veräußerer auf den Erwerber dann nicht vorgesehen ist, wenn festgestellt worden ist, dass sich das Unternehmen in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befindet.
Rechtlicher Rahmen
2.
Die Richtlinie 77/187 in der Fassung, die zu dem Zeitpunkt galt, als die Kommission die Italienische Republik aufforderte, sich zu der angeblichen Vertragsverletzung zu äußern, also am 16. Juli 1997, bestimmte in Teil II mit der Überschrift Wahrung der Ansprüche der Arbeitnehmer:
Artikel 3
(1)
Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs … bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.
Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der Veräußerer auch nach dem Übergang … neben dem Erwerber für Pflichten aus einem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis einzustehen hat.
(2)
Nach dem Übergang … erhält der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zu der Kündigung oder dem Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum Inkrafttreten oder bis zu der Anwendung eines anderenKollektivvertrags in dem gleichen Maße aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren.
Die Mitgliedstaaten können den Zeitraum der Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen begrenzen, sofern dieser nicht weniger als ein Jahr beträgt.
…
Artikel 4
(1)
Der Übergang eines Unternehmens, Betriebes oder Betriebsteils als solcher stellt für den Veräußerer oder den Erwerber keinen Grund zur Kündigung dar. Diese Bestimmung steht jedoch etwaigen Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen, nicht entgegen.
…
3.
Die Richtlinie 77/187 wurde durch die Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. L 201, S. 88) geändert. Gemäß Artikel 3 der Richtlinie 98/50 trat diese am 17. Juli 1998 in Kraft und war daher am 4. August 1999, dem Zeitpunkt, als die Kommission ihre mit Gründen versehene Stellungnahme zur angeblichen Vertragsverletzung abgab, anwendbar.
4.
Die Richtlinie 98/50 hat insbesondere Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 77/187 geändert, der seither wie folgt lautet:
Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der Veräußerer und der Erwerber nach dem Zeitpunkt des Übergangs gesamtschuldnerisch für die Verpflichtungen haften, die vor dem Zeitpunkt des Übergangs durch einen Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsverhältnis entstanden sind, der bzw. das zum Zeitpunkt des Übergangs bestand.
5.
Die Richtlinie 98/50 fügte auch einen Artikel 4a mit folgendem Wortlaut in die Richtlinie 77/187 ein:
(1)
Sofe...