Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug, Vorsteuerberichtiugng, Immobilieninvestition einer Gemeinde, Vorsteuerberichtigungszeitraum, Änderung der Nutzungsverhältnisse, Einmalige Vorsteuerberichtiugng
Leitsatz (amtlich)
Die Art. 167, 187 und 189 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sowie der Neutralitätsgrundsatz sind in dem Sinne auszulegen, dass sie Vorschriften des nationalen Rechts wie denen des Ausgangsverfahrens nicht entgegenstehen, die in Fällen der Änderung des Verwendungszwecks eines Investitionsguts ‐ zunächst für die Tätigung nicht vorsteuerabzugsberechtigter Umsätze und sodann für die Tätigung vorsteuerabzugsberechtigter Umsätze bestimmt ‐ einen Berichtigungszeitraum von zehn Jahren vorsehen, der mit der erstmaligen Verwendung dieses Gutes beginnt, und somit eine einmalige Berichtigung während eines einzigen Steuerjahrs ausschließen.
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 167, 187, 189
Beteiligte
Verfahrensgang
Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) (Beschluss vom 25.06.2013; ABl. EU 2013, Nr. C 367/23) |
Tatbestand
„Vorabentscheidungsersuchen ‐ Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Vorsteuerabzug ‐ Investitionsgüter ‐ Immobilien ‐ Berichtigung des Vorsteuerabzugs ‐ Nationale Rechtsvorschriften, die einen Berichtigungszeitraum von zehn Jahren vorsehen“
In der Rechtssache C-500/13
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) mit Entscheidung vom 25. Juni 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 16. September 2013, in dem Verfahren
Gmina Międzyzdroje
gegen
Minister Finansów
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan sowie der Richterinnen A. Prechal (Berichterstatterin) und K. Jürimäe,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: A. Calot Escobar,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Gmina Międzyzdroje, vertreten durch K. Wojtowicz, M. Konieczny und M. Janicki, Steuerberater,
‐ des Minister Finansów, vertreten durch T. Tratkiewicz und J. Kaute als Bevollmächtigte,
‐ der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Kaye als Bevollmächtigte im Beistand von R. Hill, Barrister,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Hottiaux und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 167, 187 und 189 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1) sowie des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gmina Międzyzdroje (Gemeinde Międzyzdroje) und dem Minister Finansów (Finanzminister) über dessen Entscheidung nach einem Auslegungsantrag bezüglich der Berichtigung des Vorsteuerabzugs in Verbindung mit der Mehrwertsteuer für ein als Investitionsgut erworbenes Grundstück, das zunächst einer befreiten und sodann einer besteuerten Tätigkeit diente.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 167 der Richtlinie 2006/112 lautet:
„Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.“
Rz. 4
Art. 168 dieser Richtlinie sieht vor:
„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;
…“
Rz. 5
Art. 184 der genannten Richtlinie bestimmt:
„Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird berichtigt, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war.“
Rz. 6
Art. 185 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:
„Die Berichtigung erfolgt insbesondere dann, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben, zum Beispiel bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten.“
Rz. 7
Art. 187 der Richtlinie 2006/112 sieht vor:
„(1) Bei Investitionsgütern erfolgt die Berichtigung während eines Zeitraums von fünf Jahren einschließlich des Jahres, in dem diese Güter erworben oder hergestellt wurden.
Die Mitgliedstaaten können jedoch für die Berichtigung einen Zeitraum von fünf vollen Jahren festlegen, der mit der erstmaligen Verwendung dieser Güter beginnt.
Bei Grundstücken, die als Investitio...