Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Staatliche Beihilfen. Zugunsten von Scott Paper SA/Kimberly-Clark gewährte staatliche Beihilfen. Rückforderungspflicht. Nichtvollstreckung aufgrund der Anwendung des nationalen Verfahrens. Nationale Verfahrensautonomie. Grenzen. Nationales Verfahren, das die ‚sofortige und tatsächliche Vollstreckung’. im Sinne von Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 ermöglicht. Nationales Verfahren, das die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen vorsieht, die gegen Zahlungsbescheide der nationalen Behörden eingelegt werden
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1. Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 249 Absatz 4 EG und den Artikeln 2 und 3 der Entscheidung 2002/14/EG der Kommission vom 12. Juli 2000 betreffend die von Frankreich zugunsten von Scott Paper SA/Kimberly-Clark gewährte staatliche Beihilfe verstoßen, dass sie nicht innerhalb der festgesetzten Frist alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um die in dieser Entscheidung angeführten Beihilfen vom Beihilfeempfänger zurückzufordern.
2. Die Französische Republik trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 88 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG, eingereicht am 26 Mai 2005,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Giolito als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und S. Ramet als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie des Richters K. Schiemann, der Richterin N. Colneric und der Richter K. Lenaerts und E. Juhász,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Mai 2006
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Mit ihrer Klage begehrt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 249 Absatz 4 EG und den Artikeln 2 und 3 der Entscheidung 2002/14/EG der Kommission vom 12. Juli 2000 betreffend die von Frankreich zugunsten von Scott Paper SA/Kimberly-Clark gewährte staatliche Beihilfe (ABl. 2002, L 12, S. 1) verstoßen hat, dass sie dieser Entscheidung nicht innerhalb der festgesetzten Frist nachgekommen ist.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
2 Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88] des EG-Vertrags (ABl. L 83, S. 1) stellt die Regeln für die Rückforderung von für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärten staatlichen Beihilfen auf:
„Unbeschadet einer Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften nach Artikel 185 des Vertrags [jetzt Artikel 242 EG] erfolgt die Rückforderung unverzüglich und nach den Verfahren des betreffenden Mitgliedstaats, sofern hierdurch die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung ermöglicht wird. Zu diesem Zweck unternehmen die betreffenden Mitgliedstaaten im Fall eines Verfahrens vor nationalen Gerichten unbeschadet des Gemeinschaftsrechts alle in ihren jeweiligen Rechtsordnungen verfügbaren erforderlichen Schritte einschließlich vorläufiger Maßnahmen.”
Nationales Recht
3 Artikel L4 des Code de justice administrative (Verwaltungsprozessordnung) bestimmt:
„Vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Regelungen haben Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt.”
4 Als eine solche besondere gesetzliche Regelung bestimmt Artikel 6 des Dekrets Nr. 92-1369 vom 29. Dezember 1992 zur Änderung des Dekrets Nr. 62-1587 vom 29. Dezember 1962 über die allgemeine Regelung der öffentlichen Rechnungsführung und die Festlegung der Bestimmungen, die auf die Beitreibung der in Artikel 80 dieses Dekrets genannten staatlichen Forderungen anwendbar sind (JORF vom 30. Dezember 1992, S. 17954), in Bezug auf die vom Staat oder nationalen öffentlichen Einrichtungen erlassenen Zahlungsbescheide:
„Die Zahlungsbescheide, die in Artikel 85 des oben genannten Dekrets vom 29. Dezember 1962 aufgeführt sind, können vom Schuldner entweder durch Einspruch gegen den Bescheid angefochten werden, wenn er das Bestehen, den Betrag oder die Fälligkeit der Forderung bestreitet, oder durch Einspruch gegen die Beitreibung, wenn er die formelle Gültigkeit einer Beitreibungsmaßnahme bestreitet.
Andere Einziehungsanordnungen können durch Einspruch gegen die Beitreibung angefochten werden.
Diese Einsprüche haben die Aussetzung der Beitreibung zur Folge.”
5 Ebenso sieht der mit Gesetz Nr. 96-314 vom 12. April 1996 (JORF vom 13. April 1996, S. 5707) eingefügte Artikel L1617-5 Nummer 1 Absatz 2 des Code général des collectivités territoriales für Za...