Entscheidungsstichwort (Thema)
Ungarische Kraftfahrzeug-Zulassungssteuer ist weder (unzulässige) Abgabe mit gleicher Wirkung, noch ein Einfuhrzoll noch eine Abgabe mit Umsatzsteuercharakter
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Steuer, wie sie mit dem Gesetz Nr. CX/2003 über die Zulassungssteuer in Ungarn eingeführt worden ist und die Personenkraftwagen nicht wegen des Überschreitens der Grenze auferlegt wird, ist weder ein Einfuhrzoll noch eine Abgabe gleicher Wirkung im Sinne der Artikel 23 EG und 25 EG.
2. Artikel 90 Absatz 1 EG ist dahin auszulegen, dass er einer Steuer, wie sie mit dem Zulassungssteuergesetz eingeführt worden ist, entgegensteht, soweit
‐ sie auf Gebrauchtwagen bei ihrer ersten Inbetriebnahme im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats erhoben wird und
‐ bei der Ermittlung ihrer Höhe, die sich ausschließlich nach technischen Merkmalen (Motortyp, Hubraum) sowie einer Einstufung nach Umweltschutzerwägungen richtet, der Wertverlust nicht berücksichtigt wird, so dass sie bei ihrer Anwendung auf aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte Gebrauchtwagen den Betrag der Zulassungssteuer übersteigt, die im Restwert gleichartiger Gebrauchtwagen enthalten ist, die im Mitgliedstaat der Einfuhr bereits zugelassen worden sind.
Ein Vergleich mit Gebrauchtwagen, die vor Einführung der Zulassungssteuer in dem betreffenden Mitgliedstaat in Betrieb genommen worden sind, ist irrelevant.
3. Artikel 33 der Sechsten Richtlinie steht nicht der Erhebung einer Steuer entgegen, wie sie mit dem Zulassungssteuergesetz eingeführt worden ist, deren Bemessungsgrundlage nicht der Umsatz ist und die im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübergang verbunden ist.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 33; EGVtr Art. 23, 25, 90 Abs. 1
Beteiligte
Vám- és Pénzügyőrség Észak-Alföldi Regionális Parancsnoksága |
Vám- és Pénzügyőrség Dél-Alföldi Regionális Parancsnoksága |
Verfahrensgang
Hajdú-Bihar Megyei Bíróság (Ungarn) (Beschluss vom 03.03.2005; Abl.EU 2005, Nr. C 296/10) |
Tatbestand
„Inländische Abgaben ‐ Zulassungssteuer auf Kraftfahrzeuge ‐ Gebrauchtwagen ‐ Einfuhr“
In den verbundenen Rechtssachen C-290/05 und C-333/05
betreffend zwei Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Hajdú-Bihar Megyei Bíróság und vom Bács-Kiskun Megyei Bíróság (Ungarn) mit Beschlüssen vom 3. März und 12. Juli 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Juli und 14. September 2005, in den Verfahren
Ákos Nádasdi (C-290/05)
gegen
Vám- és Pénzügyőrség Észak-Alföldi Regionális Parancsnoksága
und
Ilona Németh (C-333/05)
gegen
Vám- és Pénzügyőrség Dél-Alföldi Regionális Parancsnoksága
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, der Richterin N. Colneric (Berichterstatterin) sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues, M. Ilešič und E. Levits,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juni 2006 (C-290/05),
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Herrn Nádasdi, vertreten durch Z. Lampé, ügyvéd,
‐ von Frau Németh, vertreten durch I. Szabados, ügyvéd,
‐ der ungarischen Regierung, vertreten durch P. Gottfried (C-290/05 und C-333/05) und durch R. Somssich und A. Müller (C-290/05) als Bevollmächtigte,
‐ der polnischen Regierung, vertreten durch J. Pietras als Bevollmächtigten,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und K. Riczné-Talabér als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 13. Juli 2006
folgendes
Urteil
1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Artikel 23 EG, 25 EG, 28 EG und 90 EG sowie des Artikels 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in ihrer durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 (ABl. L 76, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).
2
Diese Fragen stellen sich in zwei Rechtsstreiten zwischen Herrn Nádasdi und Frau Németh auf der einen und der Vám- és Pénzügyőrség Észak-Alföldi Regionális Parancsnoksága (Zoll- und Finanzdirektion der Region Észak-Alföld) und der Vám- és PénzügyőrségDél-Alföldi Regionális Parancsnoksága (Zoll- und Finanzdirektion der Region Dél-Alföld) auf der anderen Seite wegen einer Zulassungssteuer, die bei der Zulassung von in Deutschland gekauften Gebrauchtwagen in Ungarn von ihnen erhoben wurde.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Artikel 23 EG bestimmt:
„(1) Grundlage der Gemeinschaft ist eine Zollunion, die sich auf den gesamten Warenaustausch erstreckt; sie umfasst das Verbot, zwischen den Mitgliedstaaten Ein- und Ausfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung zu erheben, sowie die Einführung eines Gemeinsamen Zolltarifs gegenüber dritten Ländern.
(2) Artikel 25 und Kapitel 2 dieses Titels gelten für die...