Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Art. 49 EG. Soziale Sicherheit. Medizinische Leistungen, die in einem anderen Mitgliedstaat vorgesehen sind und den Einsatz medizinischer Großgeräte erfordern. Erfordernis einer vorherigen Genehmigung. Geplante Behandlungen, die in einem anderen Mitgliedstaat erbracht werden. Differenz zwischen den im Versicherungsmitgliedstaat und im Aufenthaltsmitgliedstaat jeweils geltenden Deckungsniveaus. Anspruch des Sozialversicherten auf eine Beteiligung des zuständigen Trägers, die die Beteiligung des Trägers des Aufenthaltsmitgliedstaats ergänzt
Beteiligte
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.
3. Das Königreich Spanien, die Republik Finnland sowie das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 25. November 2008,
Europäische Kommission, vertreten durch N. Yerrell, G. Rozet und E. Traversa als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Französische Republik, vertreten durch A. Czubinski und G. de Bergues als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch:
Königreich Spanien, vertreten durch J. M. Rodríguez Cárcamo als Bevollmächtigten,
Republik Finnland, vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch I. Rao, dann durch S. Ossowski als Bevollmächtigte, im Beistand von M.-E. Demetriou, Barrister,
Streithelfer,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts (Berichterstatter) und J.-C. Bonichot, der Kammerpräsidentin C. Toader, sowie der Richter K. Schiemann, P. Kuris, E. Juhász, G. Arestis, A. Arabadjiev, J.-J. Kasel und M. Safjan,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: M.-A. Gaudissart, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 2010, nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 15. Juli 2010
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen hat, dass sie zum einen die Kostenerstattung für medizinische Dienstleistungen, die in einem anderen Mitgliedstaat außerhalb eines Krankenhauses erbracht werden und den Einsatz medizinischer Großgeräte erfordern, die in Art. R. 712-2-II (jetzt Art. R. 6122-26) des Code de la santé publique (Gesetzbuch über das öffentliche Gesundheitswesen) aufgeführt sind, gemäß Art. R. 332-4 des Code de la sécurité sociale (Gesetzbuch über die soziale Sicherheit) von einer vorherigen Genehmigung abhängig macht und dass sie zum anderen weder in Art. R. 332-4 noch in einer anderen Vorschrift des französischen Rechts die Möglichkeit vorsieht, im französischen System sozialversicherten Patienten unter den in Randnr. 53 des Urteils vom 12. Juli 2001, Vanbraekel u. a. (C-368/98, Slg. 2001, I-5363), vorgesehenen Bedingungen eine ergänzende Kostenerstattung zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 2
Art. 22 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 (ABl. L 392, S. 1) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71), bestimmt:
„Ein Arbeitnehmer oder Selbständiger, der die nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates für den Leistungsanspruch erforderlichen Voraussetzungen, gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Artikels 18, erfüllt und
a) bei dessen Zustand sich Sachleistungen während eines Aufenthalts im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats unter Berücksichtigung der Art der Leistungen und der voraussichtlichen Aufenthaltsdauer als medizinisch notwendig erweisen, oder
…
c) der vom zuständigen Träger die Genehmigung erhalten hat, sich in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu begeben, um dort eine seinem Zustand angemessene Behandlung zu erhalten,
hat Anspruch auf:
i) Sachleistungen für Rechnung des zuständigen Trägers vom Träger des [Aufenthaltsorts] nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften, als ob er bei diesem versichert wäre; die Dauer der Leistungsgewährung richtet sich jedoch nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates;
…”
Nationales Recht
Code de la sécurité sociale
Rz. 3
Die Kostenübernahme für medizinische Behandlungen, die Sozialversicherten des französischen Systems außerhal...