Entscheidungsstichwort (Thema)

Seekabotage. Verordnung (EWG) Nr. 3577/92. Auf die Besatzung von Schiffen über 650 BRZ, die zur Inselkabotage eingesetzt werden, anwendbares Recht. Begriff ‚Fahrt, die [der Kabotagefahrt] folgt oder … vorangeht’

 

Beteiligte

Agip Petroli

Agip Petroli SpA

Capitaneria di porto di Siracusa

Capitaneria di porto di Siracusa – Sezione staccata di Santa Panagia

Ministero delle Infrastrutture e dei Trasporti

 

Tenor

Der Begriff „Fahrt, die [der Kabotagefahrt] folgt oder … vorangeht”, in Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) umfasst unabhängig von der Beladung des Schiffes grundsätzlich jede Fahrt aus einem oder in einen anderen Staat. Nicht zulässig sind jedoch Fahrten ohne Ladung an Bord, die missbräuchlich durchgeführt werden, um die Vorschriften der Verordnung Nr. 3577/92 zu umgehen. Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis verlangt zum einen, dass die internationale Ballastfahrt trotz formaler Anwendung der Voraussetzungen des Artikels 3 Absatz 3 der Verordnung dazu führt, dass der Reeder für alle Fragen im Zusammenhang mit der Besatzung unter Verstoß gegen das Ziel des Artikels 3 Absatz 2 der Verordnung, nämlich bei der Inselkabotage die Geltung der Vorschriften des Aufnahmestaats für alle Fragen im Zusammenhang mit der Besatzung zu ermöglichen, in den Genuss der Anwendung der Vorschriften des Flaggenstaats gelangt. Zum anderen muss sich auch aus einer Reihe objektiver Umstände ergeben, dass der wesentliche Zweck dieser internationalen Ballastfahrt darin besteht, die Anwendung des Artikels 3 Absatz 2 der Verordnung zugunsten des Absatzes 3 dieses Artikels zu vermeiden.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per la Sicilia (Italien) mit Entscheidung vom 20. Juli 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Oktober 2004, in dem Verfahren

Agip Petroli SpA

gegen

Capitaneria di porto di Siracusa,

Capitaneria di porto di Siracusa – Sezione staccata di Santa Panagia,

Ministero delle Infrastrutture e dei Trasporti

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter J. Makarczyk, R. Schintgen, P. Kūris und J. Klučka (Berichterstatter),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Agip Petroli SpA, vertreten durch R. Longanesi Cattani, G. Pitruzzella und A. Cariola, avvocati,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. Albenzio, avvocato dello Stato,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch E.-M. Mamouna als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch A. Hare als Bevollmächtigte,
  • der norwegischen Regierung, vertreten durch A. Eide als Bevollmächtigten im Beistand von C. Galtung, attorney general for civil affairs,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Simonsson als Bevollmächtigten im Beistand von G. Conte und E. Boglione, avvocati,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 8. Dezember 2005

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Artikels 3 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) (ABl. L 364, S. 7, im Folgenden: Verordnung).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der Agip Petroli SpA (im Folgenden: Agip Petroli) gegen die Capitaneria di porto di Siracusa, die Capitaneria di porto di Siracusa – Sezione staccata di Santa Panagia (im Folgenden: Hafenamt) und das Ministero delle Infrastrutture e dei Trasporti über eine Entscheidung, mit der das Hafenamt einem unter griechischer Flagge fahrenden Tankschiff die Genehmigung zur Durchführung der Inselkabotagefahrt zwischen Magnisi und Gela verweigert hat.

Rechtlicher Rahmen

3 Die dritte, die vierte, die siebte und die achte Begründungserwägung der Verordnung lauten:

„Für die Vollendung des Binnenmarktes ist die Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs im Seeverkehr in den Mitgliedstaaten notwendig. Der Binnenmarkt umfasst einen Raum, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist.

Daher sollte der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs auch auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten angewandt werden.

Zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen sollten die Gemeinschaftsreeder, die die Kabotagefreiheit in Anspruch nehmen, alle Voraussetzungen für die Zulassung zur Kabotage in dem Mitgliedstaat erfüllen, in dem ihre Schiffe registriert sind. Während einer Ü...

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