Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtigkeitsklage. Gemeinsame Asylpolitik. Richtlinie 2005/85/EG. Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft. Sichere Herkunftsstaaten. Sichere europäische Drittstaaten. Gemeinsame Minimallisten. Verfahren zum Erlass und zur Änderung der gemeinsamen Minimallisten. Art. 67 Abs. 1 und Abs. 5 erster Gedankenstrich EG. Unzuständigkeit

 

Beteiligte

Partei: Parlament / Rat

Europäisches Parlament

Rat der Europäischen Union

 

Tenor

1. Art. 29 Abs. 1 und 2 und Art. 36 Abs. 3 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft werden für nichtig erklärt.

2. Der Rat der Europäischen Union trägt die Kosten.

3. Die Französische Republik und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften tragen ihre eigenen Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Nichtigkeitsklage gemäß Art. 230 Abs. 1 EG, eingereicht am 8. März 2006,

Europäisches Parlament, vertreten durch H. Duintjer Tebbens, A. Caiola, A. Auersperger Matić und K. Bradley als Bevollmächtigte,

Kläger,

unterstützt durch:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. O'Reilly, P. Van Nuffel und J.-F. Pasquier als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelferin,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Simm, M. Balta und G. Maganza als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagter,

unterstützt durch:

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und J.-C. Niollet als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts, A. Tizzano und L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie des Richters J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta und der Richter T. von Danwitz und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2007,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. September 2007

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Europäische Parlament begehrt mit seiner Klage die Nichtigerklärung von Art. 29 Abs. 1 und 2 und Art. 36 Abs. 3 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326, S. 13) (im Folgenden: angefochtene Bestimmungen) oder, hilfsweise, die Nichtigerklärung der gesamten Richtlinie.

Rz. 2

Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 25. Juli 2006 sind die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und die Französische Republik als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments bzw. des Rates der Europäischen Union zugelassen worden.

Rechtlicher Rahmen

Relevante Vorschriften des EG-Vertrags

Rz. 3

Art. 63 Abs. 1 EG, der zu Titel IV des Vertrags („Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien Personenverkehr”) gehört, sieht vor:

„Der Rat beschließt gemäß dem Verfahren des Artikels 67 [EG] innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam

1. … Asylmaßnahmen in folgenden Bereichen:

d) Mindestnormen für die Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft;

2. Maßnahmen in Bezug auf Flüchtlinge und vertriebene Personen in folgenden Bereichen:

a) Mindestnormen für den vorübergehenden Schutz von vertriebenen Personen aus dritten Ländern, die nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können, und von Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen;

…”

Rz. 4

Art. 67 EG in der durch den Vertrag von Nizza geänderten Fassung bestimmt:

„(1) Der Rat handelt während eines Übergangszeitraums von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam einstimmig auf Vorschlag der Kommission oder auf Initiative eines Mitgliedstaats und nach Anhörung des Europäischen Parlaments.

(2) Nach Ablauf dieser fünf Jahre

  • handelt der Rat auf der Grundlage von Vorschlägen der Kommission; die Kommission prüft jeden Antrag eines Mitgliedstaats, wonach sie dem Rat einen Vorschlag unterbreiten soll;
  • fasst der Rat einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments einen Beschluss, wonach auf alle Bereiche oder Teile der Bereiche, die unter diesen Titel fallen, das Verfahren des Artikels 251 [EG] anzuwenden ist und die Bestimmungen über die Zuständigkeit des Gerichtshofs angepasst werden.

(5) Abweichend von Absatz 1 beschließt der Rat gemäß dem Verfahren des Artikels 251 [EG]

  • die Maßnahmen nach Artikel 63 Nummer 1 und Nummer 2 Buchstabe a [EG], sofern der Rat zuvor gemäß Absatz 1 Gemeinschaftsvorschriften erlassen hat, in denen die gemeinsamen Regeln und wesentlichen Grundsätze für diese Bereiche festgelegt sind;

…”

Abgeleitetes Recht vor Erlass der Richtlinie 2005/85

Rz. 5

Auf der Grundlage von Art. 63 Abs. 1 ...

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