Entscheidungsstichwort (Thema)
Automatische Frauenbevorzugung europarechtswidrig. Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Positive Maßnahme zugunsten von Frauen. Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht
Normenkette
EG Art. 141 Abs. 4; EWGRL 207/76 Art. 2 Abs. 1, 4
Beteiligte
Tenor
1. Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen und Artikel 141 Absatz 4 EG stehen einer nationalen Regelung entgegen, nach der ein Bewerber des unterrepräsentierten Geschlechts um eine Stelle im Staatsdienst, der hinreichende Qualifikationen für diese Stelle besitzt, vor einem Bewerber des anderen Geschlechts, der sonst ausgewählt worden wäre, auszuwählen ist, sofern dies erforderlich ist, damit ein Bewerber des unterrepräsentierten Geschlechts ausgewählt wird, und sofern der Unterschied zwischen den Qualifikationen der Bewerber nicht so groß ist, daß sich daraus ein Verstoß gegen das Erfordernis der Sachgerechtigkeit bei der Einstellung ergeben würde.
2. Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Richtlinie 76/207 und Artikel 141 Absatz 4 EG stehen einer solchen nationalen Regelung auch dann entgegen, wenn sie nur für die Besetzung einer von vornherein festgelegten begrenzten Stellenzahl oder von Stellen gilt, die im Rahmen eines von einer konkreten Hochschule besonders beschlossenen Programms über die Zulassung positiver Diskriminierung geschaffen worden sind.
3. Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Richtlinie 76/207 steht einer auf einer nationalen Verwaltungspraxis beruhenden Regelung, nach der ein Bewerber des unterrepräsentierten Geschlechts einem Bewerber des anderen Geschlechts vorgezogen werden kann, wenn die Verdienste derBewerber als gleichwertig oder fast gleichwertig anzusehen sind, nicht entgegen, sofern die Bewerbungen Gegenstand einer objektiven Beurteilung sind, bei der die besondere persönliche Lage aller Bewerber berücksichtigt wird.
4. Die Beurteilung der Vereinbarkeit einer nationalen Regelung, mit der im Hochschulbereich eine positive Diskriminierung bei der Einstellung geschaffen worden ist, hängt nicht von der Einstufung der zu besetzenden Stelle ab.
Tatbestand
In der Rechtssache C-407/98
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Överklagandenämnd för Högskolan (Schweden) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Katarina Abrahamsson,
Leif Anderson
gegen
Elisabet Fogelqvist
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40)
erläßt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. A. O. Edward sowie der Richter L. Sevón, P. J. G. Kapteyn (Berichterstatter), P. Jann und H. Ragnemalm,
Generalanwalt: A. Saggio
Kanzler: R. Grass
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- von L. Anderson,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse, Departementsråd im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Hauptrechtsberaterin K. Oldfelt und durch A. Aresu, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. November 1999,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1.
Der Överklagandenämnd för Högskolan (Beschwerdeausschuß in Hochschulangelegenheiten) hat mit Beschluß vom 14. Oktober 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Oktober 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vier Fragen nach der Auslegung von Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf dieArbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit, den Frau Abrahamsson und Herr Anderson gegen Frau Fogelqvist wegen deren Ernennung zur Professorin für Hydrosphärologie an der Universität Göteborg führen.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3.
Die Absätze 1 und 4 von Artikel 2 der Richtlinie lauten:
(1) Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der nachstehenden Bestimmungen beinhaltet, daß keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts – insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand – erfolgen darf
…
(4) Diese Richtlinie s...