Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Zusatzversorgungseinrichtungen. Schutz der Ansprüche auf Leistungen bei Alter. Garantierter Mindestschutzstandard
Normenkette
Richtlinie 2008/94/EG Art. 8
Beteiligte
The Board of the Pension Protection Fund |
Tenor
1. Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers ist dahin auszulegen, dass jeder einzelne Arbeitnehmer im Fall der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers Leistungen bei Alter erhalten muss, die mindestens 50 % des Werts seiner erworbenen Ansprüche aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung entsprechen.
2. Art. 8 der Richtlinie 2008/94 hat unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens unmittelbare Wirkung, so dass er von einem einzelnen Arbeitnehmer vor einem nationalen Gericht geltend gemacht werden kann, um eine Entscheidung einer Stelle wie The Board of the Pension Protection Fund (Der Vorstand des Rentensicherungsfonds, Vereinigtes Königreich) anzufechten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Berufungsgericht [England & Wales] [Zivilabteilung], Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 16. Dezember 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Januar 2017, in dem Verfahren
Grenville Hampshire
gegen
The Board of the Pension Protection Fund,
Beteiligter:
Secretary of State for Work and Pensions,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter C. Vajda und E. Juhász (Berichterstatter), der Richterin K. Jürimäe und des Richters C. Lycourgos,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Hampshire, vertreten durch I. Walker, Solicitor, J. Bourke, Barrister, und G. Facenna, QC,
- des The Board of the Pension Protection Fund, vertreten durch A. Banister, Solicitor, und J. Hilliard, QC,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Brandon, R. Fadoju und C. Crane als Bevollmächtigte im Beistand von J. Coppel, QC,
- der irischen Regierung, vertreten durch M. Browne, J. Quaney, E. Creedon und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von Ú. Tighe, BL,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Kellerbauer und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 26. April 2018
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. 2008, L 283, S. 36).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Grenville Hampshire und dem Board of the Pension Protection Fund (Vorstand des Rentenversicherungsfonds, im Folgenden: Vorstand des PPF) über die Berechnung seiner Ansprüche auf Leistungen bei Alter.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Im dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/94 heißt es:
„Es sind Bestimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen und um ihnen ein Minimum an Schutz zu sichern, insbesondere die Zahlung ihrer nicht erfüllten Ansprüche zu gewährleisten; dabei muss die Notwendigkeit einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der [Europäischen Union] berücksichtigt werden. Deshalb sollten die Mitgliedstaaten eine Einrichtung schaffen, die die Befriedigung der nicht erfüllten Arbeitnehmeransprüche garantiert.”
Rz. 4
Nach Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie gilt sie für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie sind.
Rz. 5
Art. 8 der Richtlinie lautet:
„Die Mitgliedstaaten vergewissern sich, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sowie der Personen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers aus dessen Unternehmen oder Betrieb bereits ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter, einschließlich Leistungen für Hinterbliebene, aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit getroffen werden.”
Rz. 6
Nach ihrem Art. 12 Buchst. a steht die Richtlinie 2008/94 der Möglichkeit der Mitgliedstaaten, die zur Vermeidung von Missbräuchen notwendigen Maßnahmen zu treffen, nicht entgegen.
Recht des Vereinigten Königreichs
Rz. 7
Die Richtlinie 2008/94 wurde, soweit es um den Schutz der Rechte von Arbeitnehmern auf Leistunge...