Entscheidungsstichwort (Thema)
Marken. Verordnung (EG) Nr. 40/94. Art. 9 Abs. 1 Buchst. c. In der Gemeinschaft bekannte Marke. Geografische Ausdehnung der Bekanntheit
Beteiligte
Tirolmilch registrierte Genossenschaft mbH |
Tenor
Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke ist dahin auszulegen, dass eine Gemeinschaftsmarke, um in den Genuss des von dieser Vorschrift vorgesehenen Schutzes zu kommen, bei einem wesentlichen Teil des Publikums, das von den durch sie erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist, in einem wesentlichen Teil des Gemeinschaftsgebiets bekannt sein muss und dass das Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats angesichts der Umstände des Ausgangsverfahrens als wesentlicher Teil des Gemeinschaftsgebiets angesehen werden kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 12. Juni 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Juni 2007, in dem Verfahren
PAGO International GmbH
gegen
Tirolmilch registrierte Genossenschaft mbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter J.-C. Bonichot, K. Schiemann, J. Makarczyk und L. Bay Larsen (Berichterstatter),
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juni 2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der PAGO International GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt C. Hauer,
- der Tirolmilch registrierte Genossenschaft mbH, vertreten durch Rechtsanwalt G. Schönherr,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch W. Wils und H. Krämer als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 30. April 2009
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 11, S. 1, im Folgenden: Verordnung).
Rz. 2
Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der PAGO International GmbH (im Folgenden: PAGO) und der Tirolmilch registrierte Genossenschaft mbH (im Folgenden: Tirolmilch) über die Gemeinschaftsmarke, deren Inhaberin PAGO ist.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Art. 1 Abs. 2 der Verordnung bestimmt:
„Die Gemeinschaftsmarke ist einheitlich. Sie hat einheitliche Wirkung für die gesamte Gemeinschaft: Sie kann nur für dieses gesamte Gebiet eingetragen … werden oder Gegenstand … einer Entscheidung über … die Nichtigkeit sein, und ihre Benutzung kann nur für die gesamte Gemeinschaft untersagt werden. Dieser Grundsatz gilt, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist.”
Rz. 4
Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung lautet:
„(1) Die Gemeinschaftsmarke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr
…
c) ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Gemeinschaftsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Gemeinschaft bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Gemeinschaftsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.”
Rz. 5
Art. 5 Abs. 2 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1, im Folgenden: Richtlinie) lautet:
„Die Mitgliedstaaten können ferner bestimmen, dass es dem Inhaber gestattet ist, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, wenn diese in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.”
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Rz. 6
PAGO ist seit 2001 Inhaberin einer Gemeinschaftsbildmarke u. a. für Fruchtgetränke und Fruchtsäfte. Wesentlicher Bestandteil der Marke ist die Darstellung einer grünen Glasflasche mit charakteristischem Etikett und Deckel. PAGO vertreibt in Österreich einen Fruchtsaft unter der Bezeichnung „Pago” in diesen Flaschen. Die Gemeinschaftsmarke von PAGO ist in Österreich sehr bekannt.
Rz. 7
Tirolmilch vertreibt ebenfalls in Österreich ein Fruchtmolkegetränk unter der Bezeichnung „Lattella”. Dieses Getränk wurde zunächst in Kartonbehältern verkauft. Seit einiger Zeit wird es ebenfalls in Glasflaschen abgefüllt. Zwei der Flaschenformen gleichen in mehrfacher Hinsicht der Gemeinschaftsmarke...