Entscheidungsstichwort (Thema)

Verordnung (EG) Nr. 343/2003. Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten gestellten Asylantrags zuständig ist. Humanitäre Klausel. Art. 15 der Verordnung. Person, der in einem Mitgliedstaat Asyl gewährt wird und die wegen einer schweren Krankheit auf die Unterstützung des Asylbewerbers angewiesen ist. Art. 15 Abs. 2 der Verordnung. Pflicht des nach den Kriterien des Kapitels III der Verordnung nicht zuständigen Mitgliedstaats zur Prüfung des von diesem Asylwerber gestellten Asylantrags. Voraussetzungen

 

Beteiligte

K

Bundesasylamt

 

Tenor

Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ist Art. 15 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, dahin auszulegen, dass ein nach den Kriterien des Kapitels III dieser Verordnung nicht für die Prüfung eines Asylantrags zuständiger Mitgliedstaat zuständig wird. Der zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung gewordene Mitgliedstaat hat die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen zu übernehmen. Er unterrichtet den zuvor zuständigen Mitgliedstaat. Diese Auslegung von Art. 15 Abs. 2 gilt auch dann, wenn der Mitgliedstaat, der aufgrund der Kriterien des Kapitels III der Verordnung zuständig war, kein entsprechendes Ersuchen nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 gestellt hat.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Asylgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 20. Mai 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Mai 2011, in dem Verfahren

K

gegen

Bundesasylamt

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten L. Bay Larsen (Berichterstatter) und A. Rosas, der Kammerpräsidentin M. Berger, des Kammerpräsidenten E. Jarašiūnas, der Richter E. Juhász, J.-C. Bonichot und D. Šváby, der Richterin A. Prechal und des Richters C. G. Fernlund,

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau K, vertreten durch Rechtsanwalt A. Egger,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und P. Cede als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
  • der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und B. Beaupère-Manokha als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Palatiello, avvocato dello Stato,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und K. Veres als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar als Bevollmächtigten,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Ossowski als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Condou-Durande und W. Bogensberger als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 27. Juni 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50, S. 1), sowie von Art. 3 Abs. 2 dieser Verordnung.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau K, einer Drittstaatsangehörigen, und dem Bundesasylamt wegen dessen Ablehnung des von der Klägerin des Ausgangsverfahrens in Österreich gestellten Asylantrags, die damit begründet wurde, dass die Republik Polen der für die Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedstaat sei.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung Nr. 343/2003

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 3 und 4 der Verordnung Nr. 343/2003 lauten:

„(3) Entsprechend den Schlussfolgerungen von Tampere sollte [das Gemeinsame Europäische Asylsystem] auf kurze Sicht eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats umfassen.

(4) Eine solche Formel sollte auf objektiven und für die Mitgliedstaaten und die Betroffenen gerechten Kriterien basieren. Sie sollte insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden.”

Rz. 4

In den Erwägungsgründen 6 und 7 dieser Verordnung heißt es:

„(6) Die Einheit der Familie sollte gewahrt werden, soweit dies mit ...

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