Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Richtlinie 2000/78/EG. Verbot jeder Diskriminierung wegen des Alters und einer Behinderung. Entlassungsabfindung. Sozialplan, der die Minderung des Abfindungsbetrags für behinderte Arbeitnehmer bei Entlassung vorsieht
Beteiligte
Tenor
1. Art. 2 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit nicht entgegenstehen, die vorsieht, dass bei Mitarbeitern, die älter als 54 Jahre sind und denen betriebsbedingt gekündigt wird, die ihnen zustehende Abfindung auf der Grundlage des frühestmöglichen Rentenbeginns berechnet wird und im Vergleich zur Standardberechnungsmethode, nach der sich die Abfindung insbesondere nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit richtet, eine geringere als die sich nach der Standardmethode ergebende Abfindungssumme, mindestens jedoch die Hälfte dieser Summe, zu zahlen ist.
2. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit entgegensteht, die vorsieht, dass bei Mitarbeitern, die älter als 54 Jahre sind und denen betriebsbedingt gekündigt wird, die ihnen zustehende Abfindung auf der Grundlage des frühestmöglichen Rentenbeginns berechnet wird und im Vergleich zur Standardberechnungsmethode, nach der sich die Abfindung insbesondere nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit richtet, eine geringere als die sich nach der Standardmethode ergebende Abfindungssumme, mindestens jedoch die Hälfte dieser Summe, zu zahlen ist und bei der Anwendung der alternativen Berechnungsmethode auf die Möglichkeit, eine vorzeitige Altersrente wegen einer Behinderung zu erhalten, abgestellt wird.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Arbeitsgericht München (Deutschland) mit Entscheidung vom 17. Februar 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 28. März 2011, in dem Verfahren
Johann Odar
gegen
Baxter Deutschland GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Richters A. Rosas in Wahrnehmung der Aufgaben der Präsidentin der Zweiten Kammer sowie der Richter U. Lõhmus, A. Ó Caoimh, A. Arabadjiev (Berichterstatter) und C. G. Fernlund,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Odar, vertreten durch die Rechtsanwälte S. Saller und B. Renkl,
- der Baxter Deutschland GmbH, vertreten durch Rechtsanwältin C. Grundmann,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, J. Möller und N. Graf Vitzthum als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Enegren und V. Kreuschitz als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Juli 2012
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 und Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Odar und seinem früheren Arbeitgeber, der Baxter Deutschland GmbH (im Folgenden: Baxter), über den Betrag der Entlassungsabfindung, die er aufgrund des zwischen diesem Unternehmen und dessen Betriebsrat geschlossenen Vorsorglichen Sozialplans erhalten hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 8, 11, 12 und 15 der Richtlinie 2000/78 heißt es:
„(8) In den vom Europäischen Rat auf seiner Tagung am 10. und 11. Dezember 1999 in Helsinki vereinbarten beschäftigungspolitischen Leitlinien für 2000 wird die Notwendigkeit unterstrichen, einen Arbeitsmarkt zu schaffen, der die soziale Eingliederung fördert, indem ein ganzes Bündel aufeinander abgestimmter Maßnahmen getroffen wird, die darauf abstellen, die Diskriminierung von benachteiligten Gruppen, wie den Menschen mit Behinderung, zu bekämpfen. Ferner wird betont, dass der Unterstützung älterer Arbeitnehmer mit dem Ziel der Erhöhung ihres Anteils an der Erwerbsbevölkerung besondere Aufmerksamkeit gebührt.
…
(11) Diskriminierungen wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung können die Verwirklichung der im EG-Vertrag festgelegten Ziele unterminieren, insbesondere die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus und eines hohen Maßes an sozialem Schutz, die Hebung des Lebensstandards und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, die Solidarität sowie die Freizügigkeit.
(12) Daher sollte jede unmittelbare oder mittelbare Diskri...