Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachgeahmte Waren, keine strafrechtliche Sanktion für den Transit zwischen zwei Drittstaaten

 

Leitsatz (amtlich)

Die Artikel 2 und 11 der Verordnung (EG) Nr. 3295/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über Maßnahmen, welche das Verbringen von Waren, die bestimmte Rechte am geistigen Eigentum verletzen, in die Gemeinschaft sowie ihre Ausfuhr und Wiederausfuhr aus der Gemeinschaft betreffen, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 241/1999 des Rates vom 25. Januar 1999 geänderten Fassung sind anwendbar, wenn Waren auf dem Transitweg zwischen zwei Staaten, die nicht der Europäischen Gemeinschaft angehören, in einem Mitgliedstaat von dessen Zollbehörden vorläufig angehalten werden.

Die Verpflichtung, das nationale Recht unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Zweckes des Gemeinschaftsrechts konform auszulegen, um das gemeinschaftsrechtlich verfolgte Ziel zu erreichen, kann für sich allein - unabhängig von innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats - keine strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Wirtschaftsteilnehmers, der gegen die Vorschriften dieser Verordnung verstoßen hat, begründen oder verschärfen.

 

Normenkette

EGV 3295/94 Art. 2, 11

 

Beteiligte

Rolex u.a

X

 

Verfahrensgang

LG Eisenstadt (Österreich)

 

Tatbestand

Nachgeahmte Waren und unerlaubt hergestellte Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen - Keine strafrechtliche Sanktion für den Transit nachgeahmter Waren - Vereinbarkeit mit der Verordnung (EG) Nr. 3295/94

In der Rechtssache C-60/02

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Landesgericht Eisenstadt (Österreich) in dem bei diesem anhängigen Strafverfahren gegen

X

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 3295/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über Maßnahmen, welche das Verbringen von Waren, die bestimmte Rechte am geistigen Eigentum verletzen, in die Gemeinschaft sowie ihre Ausfuhr und Wiederausfuhr aus der Gemeinschaft betreffen (ABl. L 341, S. 8), in der durch die Verordnung (EG) Nr. 241/1999 des Rates vom 25. Januar 1999 (ABl. L 27, S. 1) geänderten Fassung

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters P. Jann in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter D. A. O. Edward (Berichterstatter) und A. La Pergola,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: R. Grass,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Montres Rolex SA, vertreten durch Rechtsanwalt G. Kucsko,

- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,

- der finnischen Regierung, vertreten durch E. Bygglin als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. C. Schieferer als Bevollmächtigten,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Juni 2003

folgendes

Urteil

1.

Das Landesgericht Eisenstadt hat mit Beschluss vom 17. Januar 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Februar 2002, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 3295/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über Maßnahmen, welche das Verbringen von Waren, die bestimmte Rechte am geistigen Eigentum verletzen, in die Gemeinschaft sowie ihre Ausfuhr und Wiederausfuhr aus der Gemeinschaft betreffen (ABl. L 341, S. 8), in der durch die Verordnung (EG) Nr. 241/1999 des Rates vom 25. Januar 1999 (ABl. L 27, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 3295/94) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.

Diese Frage stellt sich im Rahmen mehrerer Vorerhebungen, die auf Antrag der Firmen Montres Rolex SA (im Folgenden: Rolex), Tommy Hilfinger Licensing Inc., La Chemise Lacoste SA, Guccio Gucci SpA und The GAP Inc., die Markenrechte innehaben, durchgeführt werden, nachdem das Zollamt Kittsee (Österreich) Warenpartien beschlagnahmt hatte, von denen vermutet wird, dass es sich um Nachahmungen von Marken dieser Firmen handelt.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3.

Artikel 1 der Verordnung Nr. 3295/94 regelt

a) die Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Zollbehörden hinsichtlich der Waren, bei denen der Verdacht besteht, dass es sich um Waren im Sinne von Absatz 2 Buchstabe a) handelt,

- wenn sie im Sinne von Artikel 61 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, zur Ausfuhr oder zur Wiederausfuhr angemeldet werden;

- wenn sie im Zusammenhang mit ihrer zollamtlichen Überwachung gemäß Artikel 37 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 mit ihrer Überführung in ein Nichterhebungsverfahren im Sinne des Artikels 84 Absatz 1 Buchstabe a) jener Verordnung oder anlässlich der Mitteilung ihrer Wiederausfuhr oder Verbringung in eine Freizone oder ein Freilager im Sinne des Artikels 166 jener Verordnung im Rahmen einer zollamtlichen Prüfung entdeckt werden;

und

b) die von den zuständigen Stellen zu treffenden Maßnahmen, wenn festgestellt ist, dass d...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge