Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Befristete Arbeitsverträge. Mit einem Arbeitgeber des öffentlichen Sektors abgeschlossene Verträge. Maßnahmen zur Ahndung des missbräuchlichen Einsatzes befristeter Arbeitsverträge. Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität
Beteiligte
Presidenza del Consiglio dei Ministri |
Tenor
Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999, die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge enthalten ist, ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die den Missbrauch aufeinanderfolgender befristeter Verträge durch einen Arbeitgeber des öffentlichen Sektors nicht durch die Zahlung einer Entschädigung an den betreffenden Arbeitnehmer zum Ausgleich der Nichtumwandlung des befristeten Arbeitsverhältnisses in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ahndet, sondern vorsieht, dass dieser Arbeitnehmer eine Entschädigung zwischen dem 2,5-Fachen und dem 12-Fachen seiner letzten Monatsvergütung erhält und die Möglichkeit hat, die vollständige Wiedergutmachung des Schadens zu erlangen, wenn er im Wege einer Vermutung nachweist, dass ihm entweder andere Gelegenheiten zur Anstellung entgangen sind oder er im Fall der Veröffentlichung eines ordnungsgemäßen Auswahlverfahrens dieses erfolgreich abgeschlossen hätte, sofern eine solche Regelung mit einem wirksamen und abschreckenden Sanktionsmechanismus einhergeht, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale di Trapani (Gericht Trapani, Italien) mit Entscheidung vom 5. September 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 15. September 2016, in dem Verfahren
Giuseppa Santoro
gegen
Comune di Valderice,
Presidenza del Consiglio dei Ministri
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Richter C. G. Fernlund, J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev (Berichterstatter) und S. Rodin,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2017,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Santoro, vertreten durch S. Galleano, V. De Michele, M. De Luca und E. De Nisco, avvocati,
- der Comune di Valderice, vertreten durch G. Messina, avvocatessa,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. De Bellis, vice avvocato generale dello Stato, sowie von C. Colelli und G. D'Avanzo, avvocati dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara und M. van Beek als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Oktober 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 (im Folgenden: Rahmenvereinbarung), die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43) enthalten ist.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Giuseppa Santoro und der Comune di Valderice (Gemeinde Valderice, Italien) über die Konsequenzen, die aus der Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge zwischen der Betroffenen und dieser Gemeinde zu ziehen sind.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Gemäß Paragraf 1 der Rahmenvereinbarung hat diese zum Gegenstand, zum einen durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse zu verbessern und zum anderen einen Rahmen zu schaffen, der den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse verhindert.
Rz. 4
Paragraf 5 „Maßnahmen zur Vermeidung von Missbrauch”) der Rahmenvereinbarung lautet:
„Um Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu vermeiden, ergreifen die Mitgliedstaaten nach der gesetzlich oder tarifvertraglich vorgeschriebenen oder in dem Mitgliedstaat üblichen Anhörung der Sozialpartner und/oder die Sozialpartner, wenn keine gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen zur Missbrauchsverhinderung bestehen, unter Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen:
- sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Verträge oder Verhältnisse rechtfertigen;
- die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinander folgender Arbeitsverträge oder -verhältnisse;
- die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge oder Verhältnisse.
Die Mitgliedstaaten, nach Anhörung der Sozialpartner, und/oder die Sozialpartner legen gegebenenfalls fest, unter welchen Bedingungen befristete Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse:
- als ‚aufeinander...