Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Übereinkommen von Rom. Anwendbares Recht. Grenzüberschreitende Verschmelzung. Verschmelzung durch Aufnahme. Gläubigerschutz. Übergang des gesamten Aktiv- und Passivvermögens der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft

 

Normenkette

Richtlinie 78/855/EWG; Richtlinie 2005/56/EG

 

Beteiligte

KA Finanz

KA Finanz AG

Sparkassen Versicherung AG Vienna Insurance Group

 

Tenor

1. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass

  • nach einer grenzüberschreitenden Verschmelzung durch Aufnahme auf die Auslegung, die Erfüllung der Verpflichtungen und die Arten des Erlöschens eines von der übertragenden Gesellschaft geschlossenen Anleihevertrags wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden dasselbe Recht anzuwenden ist wie das vor der Verschmelzung auf diesen Vertrag anzuwendende Recht;
  • für den Schutz der Gläubiger einer übertragenden Gesellschaft in einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden weiterhin die Vorschriften des innerstaatlichen Rechts gelten, dem diese Gesellschaft unterlag.

2. Art. 15 der Dritten Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften in der durch die Richtlinie 2009/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass danach dem Inhaber von Wertpapieren, die mit Sonderrechten verbunden, jedoch keine Aktien sind, Rechte verliehen werden, nicht aber ihrer Emittentin.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 28. August 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Oktober 2014, in dem Verfahren

KA Finanz AG

gegen

Sparkassen Versicherung AG Vienna Insurance Group

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer M. Ilešič in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richterinnen C. Toader und M. Berger sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. G. Fernlund (Berichterstatter),

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der KA Finanz AG, vertreten durch Rechtsanwälte S. Albiez und C. Klausegger,
  • der Sparkassen Versicherung AG Vienna Insurance Group, vertreten durch Rechtsanwalt P. Konwitschka,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, H. Støvlbæk und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. November 2015

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. Juni 1980 in Rom (ABl. L 266, S. 1, im Folgenden: Übereinkommen von Rom), der Dritten Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften (ABl. L 295, S. 36) in der durch die Richtlinie 2009/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 (ABl. L 259, S. 14) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 78/855) sowie der Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten (ABl. L 310, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der KA Finanz AG (im Folgenden: KA Finanz) mit Sitz in Österreich, Rechtsnachfolgerin der Kommunalkredit International Bank LTD (im Folgenden: Kommunalkredit) mit Sitz in Zypern, und der Sparkassen Versicherung AG Vienna Insurance Group (im Folgenden: Sparkassen Versicherung) wegen einer Forderung von Sparkassen Versicherung gegen KA Finanz auf Zahlung der Zinsen für Nachranganleihen, die sie bei der Kommunalkredit gezeichnet hatte, bevor diese im Rahmen einer Verschmelzung durch Aufnahme durch KA Finanz übernommen wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Übereinkommen von Rom

Rz. 3

Art. 1 des Übereinkommens von Rom, in dem dessen Anwendungsbereich definiert wird, bestimmt:

„(1) Die Vorschriften dieses Übereinkommens sind auf vertragliche Schuldverhältnisse bei Sachverhalten, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen, anzuwenden.

(2) Sie sind nicht anzuwenden auf

e) Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen, wie z. B. die Errichtung, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die innere Verfassung und die Auflösung von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen sowie die persönliche gesetzliche Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Schulden der Gesellschaft, des Vereins oder der juristischen Pe...

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