Entscheidungsstichwort (Thema)
ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM BUNDESSOZIALGERICHT. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer. Invaliditätsversicherung. Besonderheiten bei der Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften. Berücksichtigung der beruflichen Qualifikation für die Eröffnung des Anspruchs auf Leistungen. Gemeinschaftsrechtliche Vorschrift, die es zulässt, die Berücksichtigung einer in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen beruflichen Qualifikation abzulehnen. Versteckte Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Ungültigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Nummer 15 des Anhangs VI Abschnitt C der Verordnung Nr. 1408/71 ist insofern ungültig, als nach ihr dann, wenn nach den deutschen Rechtsvorschriften für den Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit oder Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit oder Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit auf den bisherigen Beruf abzustellen ist, bei der Prüfung dieses Anspruchs nur nach deutschen Rechtsvorschriften versicherungspflichtige Beschäftigungen berücksichtigt werden.
Auch wenn diese Vorschrift nämlich unabhängig von der Staatsangehörigkeit des betreffenden Arbeitnehmers gilt, führt sie in Verbindung mit den deutschen Rechtsvorschriften zur Benachteiligung anderer als deutscher Arbeitnehmer, die zunächst in einem anderen Mitgliedstaat und danach in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt waren, da sie diese daran hindert, sich im Hinblick auf die Gewährung einer Rente auf eine in einem anderen Mitgliedstaat erworbene höhere Qualifikation zu berufen, als sie ihnen in der Bundesrepublik Deutschland zuerkannt wird. Aufgrund dessen ist eine solche Vorschrift nicht geeignet, die durch Artikel 48 EWG-Vertrag vorgeschriebene Gleichbehandlung zu gewährleisten und hat daher im Rahmen der Koordinierung der nationalen Rechtsvorschriften, die in Artikel 51 EWG-Vertrag vorgesehen ist, um die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft zu fördern, keinen Platz.
Normenkette
EWGVtr Art. 48, 51; EWGV 1408/71 n.F. Anhang VI Abschn. C Nr. 15
Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Schwaben |
Tenor
Die Nummer 15 des Anhangs VI Abschnitt C der Verordnung Nr. 1408/71 ist insofern ungültig, als nach ihr dann, wenn nach den deutschen Rechtsvorschriften für den Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit oder Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit oder Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit auf den bisherigen Beruf abzustellen ist, bei der Prüfung dieses Anspruchs nur nach deutschen Rechtsvorschriften versicherungspflichtige Beschäftigungen berücksichtigt werden.
Gründe
1 Das Bundessozialgericht hat mit Beschluß vom 28. November 1984, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Januar 1985, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung des Anhangs VI Abschnitt C Nummer 15 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu – und abwandern (ABl. L 149, S. 1), in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2000/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 1) (im folgenden: Nummer 15) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit über die Weigerung der Beklagten des Ausgangsverfahrens, dem Kläger des Ausgangsverfahrens eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
3 Wie sich aus den Akten ergibt, erhält ein Versicherter gemäß § 1246 der Reichsversicherungsordnung Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn a) von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der Berufsunfähigkeit mindestens 36 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind, b) eine Wartezeit von mindestens 60 Versicherungsmonaten erfüllt ist und c) die Erwerbsfähigkeit auf weniger als die Hälfte, bezogen auf die bisher ausgeuebte Berufstätigkeit, herabgesunken ist.
4 Was die Feststellung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit angeht, ist ein Schema zur Einstufung der Antragsteller im Hinblick auf die Verweisung auf eine andere Tätigkeit entwickelt worden. Danach werden folgende vier Kategorien von Arbeitnehmern unterschieden: a) Vorarbeiter bzw. besonders hoch qualifizierter Arbeiter, b) Facharbeiter, c) angelernter Arbeiter und d) ungelernter Arbeiter. Eine Berufsunfähigkeitsrente kann verweigert werden, wenn es der Grad der Berufsunfähigkeit des Antragstellers zulässt, ihn auf eine Beschäftigung zu verweisen, die zu den Tätigkeiten gehört, die für die seiner bisherigen Berufstätigkeit unmittelbar nachgeordnete Tätigkeitsstufe typisch ist. Kann er aufgrund seiner Berufsunfähigkeit nur auf eine Beschäftigung auf einer nicht unmittelbar nachgeordneten Tätigkeitsstufe oder kann er überhaupt nicht auf eine Beschäftigung verwiesen werden, wird ihm eine Rente gewährt.
5 Wie sich aus den Akten ergibt, hat dieses...