Entscheidungsstichwort (Thema)

Wettbewerb. Vertriebsvereinbarung über Kraftfahrzeuge. Gruppenfreistellung. Verordnung (EG) Nr. 1475/95. Artikel 5 Absatz 3. Kündigung durch den Lieferanten. Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002. Notwendigkeit der Umstrukturierung des Vertriebsnetzes. Kündigungsfrist. Begründung. Beweislast

 

Beteiligte

Vulcan Silkeborg

VW-Audi Forhandlerforeningen, handelnd für Vulcan Silkeborg A/S

Skandinavisk Motor Co. A/S

 

Tenor

Artikel 5 Absatz 3 Unterabsatz 1 erster Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 1475/95 der Kommission vom 28. Juni 1995 über die Anwendung von Artikel [81] Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge ist wie folgt auszulegen:

  • Das Bestehen der „Notwendigkeit, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzugestalten”, setzt eine bedeutsame Änderung der Vertriebsstrukturen des betroffenen Lieferanten sowohl in finanzieller als auch in räumlicher Hinsicht voraus, die auf plausible Weise durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt sein muss, welche sich auf interne oder externe objektive Umstände des Unternehmens des Lieferanten stützen, die ohne eine schnelle Umstrukturierung des Vertriebsnetzes in Anbetracht des Wettbewerbsumfelds, in dem der Lieferant agiert, die Effizienz der bestehenden Strukturen des Vertriebsnetzes beeinträchtigen könnten. Mögliche wirtschaftlich nachteilige Folgen, die der Lieferant im Fall einer Kündigung der Vertriebsvereinbarung mit einer Frist von zwei Jahren erleiden könnte, sind in dieser Hinsicht erheblich. Es ist Sache der nationalen Gerichte und der Schiedsgerichte, unter Berücksichtigung aller konkreten Gegebenheiten der Streitigkeit, mit der sie befasst sind, zu beurteilen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind.
  • Der Lieferant hat nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für das Bestehen des Rechts zur Kündigung mit einer Frist von einem Jahr erfüllt sind, wenn die Rechtmäßigkeit einer Kündigung mit einer Frist von einem Jahr von einem Händler vor einem nationalen Gericht oder einem Schiedsgericht bestritten wird. Wie ein solcher Beweis erbracht werden muss, bestimmt sich nach nationalem Recht.
  • Sie verpflichtet den Lieferanten, der eine Vertriebsvereinbarung nach dieser Bestimmung kündigt, nicht dazu, die Kündigungsentscheidung förmlich zu begründen oder vor dieser einen Umstrukturierungsplan zu erstellen.
  • Das Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 der Kommission vom 31. Juli 2002 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor als solches hat eine Umstrukturierung des Vertriebssystems eines Lieferanten nach Artikel 5 Absatz 3 Unterabsatz 1 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1475/95 nicht notwendig gemacht. Jedoch konnte dieses Inkrafttreten nach Maßgabe des spezifischen Aufbaus des Vertriebsnetzes des einzelnen Lieferanten Änderungen von solcher Bedeutung notwendig machen, dass diese eine echte Umstrukturierung dieses Netzes im Sinne dieser Bestimmung darstellen. Es ist Sache der nationalen Gerichte und der Schiedsgerichte, zu beurteilen, ob dies unter Berücksichtigung aller konkreten Gegebenheiten der Streitigkeit, mit der sie befasst sind, der Fall ist.
 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Østre Landsret (Dänemark) mit Entscheidung vom 15. März 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 17. März 2005, in dem Verfahren

VW-Audi Forhandlerforeningen, handelnd für Vulcan Silkeborg A/S

gegen

Skandinavisk Motor Co. A/S

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J.-P. Puissochet, S. von Bahr, U. Lõhmus und A. Ó Caoimh (Berichterstatter),

Generalanwalt: L. A. Geelhoed,

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2006,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der VW-Audi Forhandlerforeningen, handelnd für Vulcan Silkeborg A/S, vertreten durch M. Goeskjær und P. Gregersen, advokater,
  • der Skandinavisk Motor Co. A/S, vertreten durch C. Karhula Lauridsen, T. Ryhl und J. Ørskov Rasmussen, advokater,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch N. B. Rasmussen und A. Whelan als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. April 2006

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Artikels 5 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1475/95 der Kommission vom 28. Juni 1995 über die Anwendung von Artikel [81] Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (ABl. L 145, S. 25).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen VW-Audi Forhandlerforeningen (Vereinigung von Volkswagen- und Audihändlern) als Beauftragte der Vulcan Silkeborg A/S (im Folgenden: VS) u...

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