Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Niederlassungsfreiheit. Freier Dienstleistungsverkehr. Nationales mobiles Zahlungssystem. Monopol
Normenkette
Richtlinie 2006/123/EG § Art. 15; Richtlinie 2006/123/EG § Art. 16; Richtlinie 2006/123/EG § Art. 17; AEUV Art. 49, 56
Beteiligte
Tenor
1. Ungarn hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 15 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt und aus Art. 56 AEUV verstoßen, dass es das im Nemzeti mobil fizetési rendszerrol szóló 2011. évi CC. törvény (Gesetz Nr. CC von 2011 über das nationale mobile Zahlungssystem) und im 356/2012. (XII. 13.) Korm. rendelet a nemzeti mobil fizetési rendszerrol szóló törvény végrehajtásáról (Regierungsverordnung Nr. 356/2012 zur Durchführung des Gesetzes über das nationale mobile Zahlungssystem) geregelte nationale mobile Zahlungssystem eingeführt und beibehalten hat.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Europäische Union und Ungarn tragen ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 5. April 2017,
Europäische Kommission, vertreten durch V. Bottka und H. Tserepa-Lacombe als Bevollmächtigte,
Klägerin,
gegen
Ungarn, vertreten durch M. Z. Fehér und G. Koós als Bevollmächtigte,
Beklagter,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász und C. Vajda,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2018,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Juni 2018
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klageschrift beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass Ungarn dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 15 Abs. 2 Buchst. d und Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36), hilfsweise aus den Art. 49 und 56 AEUV, verstoßen hat, dass es das im Nemzeti mobil fizetési rendszerről szóló 2011. évi CC. törvény (Magyar Közlöny 2011/164) (Gesetz Nr. CC von 2011 über das nationale mobile Zahlungssystem, im Folgenden: Gesetz Nr. CC) und im 356/2012. (XII. 13.) Korm. rendelet a nemzeti mobil fizetési rendszerrol szóló törvény végrehajtásáról (Regierungsverordnung Nr. 356/2012 zur Durchführung des Gesetzes über das nationale mobile Zahlungssystem, im Folgenden: Regierungsverordnung Nr. 356/2012) geregelte nationale mobile Zahlungssystem eingeführt und beibehalten hat.
I. Rechtlicher Rahmen
A. Unionsrecht
Rz. 2
Die Erwägungsgründe 8, 17, 70 und 72 der Richtlinie 2006/123 lauten:
„(8) Die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit sollten nur insoweit Anwendung finden, als die betreffenden Tätigkeiten dem Wettbewerb offen stehen, so dass sie die Mitgliedstaaten weder verpflichten, Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu liberalisieren, noch öffentliche Einrichtungen, die solche Dienstleistungen anbieten, zu privatisieren, noch bestehende Monopole für andere Tätigkeiten oder bestimmte Vertriebsdienste abzuschaffen.
…
(17) Diese Richtlinie gilt nur für Dienstleistungen, die für eine wirtschaftliche Gegenleistung erbracht werden. Dienstleistungen von allgemeinem Interesse fallen nicht unter die Begriffsbestimmung des Artikels [57 AEUV] und somit nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sind Dienstleistungen, die für eine wirtschaftliche Gegenleistung erbracht werden, und fallen deshalb in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie. Gleichwohl sind bestimmte Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, wie solche, die gegebenenfalls im Verkehrsbereich erbracht werden, vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen und für einige andere Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, wie solche, die gegebenenfalls im Bereich der Postdienste erbracht werden, gelten Ausnahmen von den Bestimmungen dieser Richtlinie über die Dienstleistungsfreiheit. …
…
(70) Für die Zwecke dieser Richtlinie und unbeschadet des Artikels [14 AEUV] können Dienstleistungen nur dann als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse angesehen werden, wenn sie der Erfüllung eines besonderen Auftrags von öffentlichem Interesse dienen, mit dem der Dienstleistungserbringer von dem betreffenden Mitgliedstaat betraut wurde. Diese Beauftragung sollte durch einen oder mehrere Akte erfolgen, deren Form von dem betreffenden Mitgliedstaat selbst bestimmt wird; darin sollte die genaue Ar...