Entscheidungsstichwort (Thema)
Urheberrecht und verwandte Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. Richtlinie 2001/29/EG. Artikel 3. Begriff der öffentlichen Wiedergabe. Werke, die über in Hotelzimmern aufgestellte Fernsehgeräte wiedergegeben werden
Beteiligte
Sociedad General de Autores y Editores de España (SGAE) |
Tenor
1. Zwar stellt die bloße Bereitstellung von Empfangsgeräten als solche keine Wiedergabe im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft dar, aber die Verbreitung eines Signals mittels in den Hotelzimmern aufgestellter Fernsehapparate, die ein Hotel für seine Gäste vornimmt, stellt eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 dieser Richtlinie dar; dies gilt unabhängig davon, mit welcher Technik das Signal übertragen wird.
2. Der private Charakter von Hotelzimmern steht dem nicht entgegen, dass es sich bei der dort erfolgten Wiedergabe eines Werkes mittels eines Fernsehapparats um eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2001/29 handelt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Audiencia Provincial de Barcelona (Spanien) mit Entscheidung vom 7. Juni 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 3. August 2005, in dem Verfahren
Sociedad General de Autores y Editores de España (SGAE)
gegen
Rafael Hoteles SL
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Borg Barthet, J. Malenovský (Berichterstatter), U. Lõhmus und A. Ó Caoimh,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Sociedad General de Autores y Editores de España (SGAE), vertreten durch R. Gimeno-Bayón Cobos und P. Hernández Arroyo, abogados,
- der Rafael Hoteles SA, vertreten durch R. Tornero Moreno, abogado,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und J.-C. Niollet als Bevollmächtigte,
- Irlands, vertreten durch D. J. O'Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von N. Travers, BL,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch K. Murawski, U. Rutkowska und P. Derwicz als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. R. Vidal Puig und W. Wils als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 13. Juli 2006
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 3 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der der Sociedad General de Autores y Editores de España (SGAE) und der Rafael Hoteles SL (im Folgenden: Rafael) wegen angeblicher Verletzung der von SGAE verwalteten Rechte des geistigen Eigentums durch Rafael.
Rechtlicher Rahmen
Das anwendbare Völkerrecht
3 Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums in Anhang 1C des Übereinkommens von Marrakesch zur Errichtung der Welthandelsorganisation wurde durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336, S. 1) von der Europäischen Gemeinschaft genehmigt.
4 Artikel 9 Absatz 1 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums lautet:
„(1) Die Mitglieder befolgen die Artikel 1 bis 21 der Berner Übereinkunft (1971) und den Anhang dazu. Die Mitglieder haben jedoch aufgrund dieses Übereinkommens keine Rechte oder Pflichten in Bezug auf die in Artikel 6 bis der Übereinkunft gewährten oder die daraus abgeleiteten Rechte.”
5 Artikel 11 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der am 28. September 1979 geänderten Fassung (im Folgenden: Berner Übereinkunft) bestimmt:
„Die Urheber von dramatischen, dramatisch-musikalischen und musikalischen Werken genießen das ausschließliche Recht, zu erlauben:
i) die öffentliche Aufführung ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Aufführung durch irgendein Mittel oder Verfahren,
ii) die öffentliche Übertragung der Aufführung ihrer Werke durch irgendein Mittel.
- Die gleichen Rechte werden den Urhebern dramatischer oder dramatisch-musikalischer Werke während der ganzen Dauer ihrer Rechte am Originalwerk hinsichtlich der Übersetzung ihrer Werke gewährt.”
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