Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Umwelt. Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen. Begriff,Pläne oder Projekte‘ in einem Schutzgebiet. Eingriff in einen Wald aus Gründen des Brandschutzes. Erforderlichkeit einer vorherigen Prüfung des Eingriffs auf Verträglichkeit mit dem betreffenden Gebiet

 

Normenkette

Richtlinie 92/43/EWG; Richtlinie 92/43/EWG Art. 6 Abs. 3

 

Beteiligte

Latvijas valsts meži

„Latvijas valsts meži“ AS

Dabas aizsardzības pārvalde

Vides pārraudzības valsts birojs

 

Tenor

1.Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Projekt“ im Sinne dieser Bestimmung auch Tätigkeiten erfasst, die in einem als besonderes Schutzgebiet ausgewiesenen Waldgebiet durchgeführt werden, um gemäß den Vorgaben der nationalen Regelung zur Verhütung von Waldbränden die Instandhaltung der Infrastruktureinrichtungen für den Schutz vor Waldbränden in diesem Gebiet sicherzustellen, sofern sie den materiellen Zustand des Gebiets verändern.

2.Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 ist dahin auszulegen, dass bei Tätigkeiten, die in einem als besonderes Schutzgebiet ausgewiesenen Waldgebiet durchgeführt werden, um gemäß den Vorgaben der nationalen Regelung zur Verhütung von Waldbränden die Instandhaltung der Infrastruktureinrichtungen für den Schutz vor Waldbränden in diesem Gebiet sicherzustellen, nicht allein deshalb, weil sie einen solchen Gegenstand haben, davon ausgegangen werden kann, dass sie unmittelbar mit der Verwaltung des betreffenden Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sind und daher keiner Prüfung auf Verträglichkeit mit dem Gebiet bedürfen, es sei denn, sie gehören zu den Erhaltungsmaßnahmen, die bereits nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie für das Gebiet festgelegt wurden.

3.Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 ist dahin auszulegen, dass er eine Prüfung der in dieser Bestimmung genannten Pläne und Projekte auch dann vorschreibt, wenn ihre Durchführung nach der nationalen Regelung zur Verhütung von Waldbränden erforderlich ist.

4.Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 ist dahin auszulegen, dass Tätigkeiten, die in einem als besonderes Schutzgebiet ausgewiesenen Waldgebiet durchgeführt werden, um die Instandhaltung der Infrastruktureinrichtungen für den Schutz vor Waldbränden in diesem Gebiet sicherzustellen, nicht vor der Durchführung des in dieser Bestimmung vorgesehenen Verfahrens der Verträglichkeitsprüfung begonnen, geschweige denn fortgesetzt und abgeschlossen werden dürfen, es sei denn, sie gehören zu den Erhaltungsmaßnahmen, die bereits nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie für das Gebiet festgelegt wurden, oder eine gegenwärtige oder drohende Gefahr für die Erhaltung des Gebiets erfordert ihre sofortige Durchführung.

5.Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 ist im Licht des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit dahin auszulegen, dass er den betreffenden Mitgliedstaat, insbesondere dessen zuständige Behörden, verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um etwaige erhebliche Umweltauswirkungen von Arbeiten zu vermeiden, die durchgeführt wurden, ohne dass zuvor die in dieser Bestimmung vorgesehene Verträglichkeitsprüfung durchgeführt worden wäre, und den durch diese Arbeiten verursachten Schaden zu ersetzen. Dagegen verpflichtet er den Mitgliedstaat nicht, den Ersatz eines solchen Schadens, sollte er Einzelnen zuzurechnen sein, von diesen zu verlangen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-434/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administratīvā rajona tiesa, Rīgas tiesu nams (Bezirksverwaltungsgericht, Bezirk Riga, Lettland) mit Entscheidung vom 30. Juni 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Juni 2022, in dem Verfahren

„Latvijas valsts meži“ AS

gegen

Dabas aizsardzības pārvalde,

Vides pārraudzības valsts birojs,

Beteiligte:

Valsts meža dienests,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters J.-C. Bonichot (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, des Richters S. Rodin und der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • –        der „Latvijas valsts meži“ AS, vertreten durch M. Gūtmanis,
  • –        der Dabas aizsardzības pārvalde, vertreten durch A. Svilāns,
  • –        der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Hermes und I. Naglis als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 13. Juli 2023

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7, im Folgenden: Habitatrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „Latvijas valsts meži“ AS und der Daba...

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