Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor, Geringfügige Überschreitung der Frist für die Übermittlung der Aufstellung der Abrechnungen, Strafbetragsregelung
Leitsatz (amtlich)
Der nationale Richter hat den Grundsatz der rückwirkenden Anwendung des milderen Strafgesetzes zu beachten, wenn er ein den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften nicht entsprechendes Verhalten zu ahnden hat.
Bei einer geringfügigen Überschreitung der gesetzten Frist wie der im Ausgangsverfahren streitigen ist die Sanktionsregelung nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1392/2001 der Kommission vom 9. Juli 2001 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor weniger streng als die in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 536/93 der Kommission vom 9. März 1993 mit Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1001/98 der Kommission vom 13. Mai 1998 geänderten Fassung vorgesehene Regelung.
Normenkette
EGV 1392/2001 Art. 5 Abs. 3; EWGV 536/93 Art. 3 Abs. 2; MGV § 11 Abs. 3
Beteiligte
Hauptzollamt Frankfurt (Oder) |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Milch und Milcherzeugnisse ‐ Zusatzabgabe ‐ Geringfügige Überschreitung der Frist für die Übermittlung der Aufstellung der Abrechnungen ‐ Finanzielle Sanktion ‐ Verordnung (EWG) Nr. 536/93 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1001/98 geänderten Fassung ‐ Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 ‐ Verordnung (EG) Nr. 1392/2001 ‐ Art. 5 Abs. 3 ‐ Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 ‐ Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ‐ Grundsatz der rückwirkenden Anwendung des milderen Strafgesetzes“
In der Rechtssache C-45/06
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Finanzgericht des Landes Brandenburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 9. November 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Januar 2006, in dem Verfahren
Campina GmbH & Co., vormals TUFFI Campina emzett GmbH,
gegen
Hauptzollamt Frankfurt (Oder)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten R. Schintgen sowie der Richter M. Ilešič (Berichterstatter) und E. Levits,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der griechischen Regierung, vertreten durch G. Kanellopoulos und S. Papaioannou als Bevollmächtigte,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Schieferer und C. Cattabriga als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Verhältnismäßigkeit des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 536/93 der Kommission vom 9. März 1993 mit Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl. L 57, S. 12) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1001/98 der Kommission vom 13. Mai 1998 (ABl. L 142, S. 22) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 536/93).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der Campina GmbH & Co., vormals TUFFI Campina emzett GmbH (im Folgenden: Campina), der Gesamtrechtsnachfolgerin des Milchverarbeitungs- und -einkaufsunternehmens Meierei-Zentrale GmbH (im Folgenden: MZ) gegen das Hauptzollamt Frankfurt (Oder) über eine geringfügige Überschreitung der Frist für die Übermittlung der Aufstellung der Abrechnungen (im Folgenden: Mitteilung).
Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen
3
Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 536/93 bestimmt:
„Vor dem 15. Mai jedes Jahres übermittelt der Abnehmer der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats eine Aufstellung der Abrechnungen für jeden Erzeuger bzw. unterrichtet sie aufgrund eines entsprechenden Beschlusses des Mitgliedstaats über die Gesamtmenge, die gemäß Artikel 2 Absatz 2 berichtigte Menge und den Durchschnittsfettgehalt der Milch und/oder des Milchäquivalents, die bzw. das ihm von Erzeugern geliefert worden ist, sowie über die Summe der einzelbetrieblichen Referenzmengen und den jeweils für diese Erzeuger ermittelten repräsentativen Durchschnittsfettgehalt.“
4
Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 536/93 in seiner ursprünglichen Fassung lautete:
„Bei Nichteinhaltung der Frist muss der Abnehmer einen Strafbetrag zahlen, der der Abgabe entspricht, die bei einer Überschreitung in Höhe von 0,1 % der ihm von den Erzeugern gelieferten Milch- oder Milchäquivalentmengen zu entrichten ist. Dieser Strafbetrag darf 20 000 ECU nicht überschreiten.“
5
Die letztgenannte Vorschrift ist durch das Urteil des Gerichtshofs vom 6. Juli 2000, Molkereigenossenschaft Wiedergeltingen (C-356/97, Slg. 2000, I-5461), für unverhältnismäßig erklärt worden.
6
In der Zwischenzeit hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Verordnung Nr. 1001/98 erlassen. Art. 1 dieser Verordnung sieht vor:
„In Artikel 3 Absatz 2...