Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Geistiges Eigentum. Unionsmarke. Anmeldung des Zeichens ‚Baumwollblüte’ durch einen Verein. Eintragung als Individualmarke. Vergabe von Lizenzen für die Benutzung der Marke an die Hersteller von Baumwolltextilien, die Mitglieder des Vereins sind. Antrag auf Nichtigerklärung oder auf Verfallserklärung. Begriff ‚ernsthafte Benutzung’. Hauptfunktion als Herkunftshinweis
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 207/2009 Art. 9, 15
Beteiligte
W. F. Gözze Frottierweberei und Gözze |
W. F. Gözze Frottierweberei GmbH |
Verein Bremer Baumwollbörse |
Tenor
1. Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke ist dahin auszulegen, dass die durch den Inhaber oder mit seiner Zustimmung erfolgende Anbringung einer Unionsindividualmarke auf Waren als Gütezeichen keine markenmäßige Benutzung ist, die unter den Begriff „ernsthafte Benutzung” im Sinne dieser Bestimmung fällt. Die Anbringung der Marke stellt jedoch eine solche ernsthafte Benutzung dar, wenn sie den Verbrauchern auch und zugleich garantiert, dass diese Waren aus einem einzigen Unternehmen stammen, unter dessen Kontrolle die Waren hergestellt werden und das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann. Im letztgenannten Fall ist es dem Inhaber der Marke nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung gestattet, die Anbringung eines ähnlichen Zeichens durch einen Dritten auf identischen Waren zu verbieten, wenn dessen Anbringung für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen schafft.
2. Art. 52 Abs. 1 Buchst. a und Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 sind dahin auszulegen, dass eine Individualmarke nicht auf der Grundlage einer gemeinsamen Anwendung dieser Bestimmungen mit der Begründung für nichtig erklärt werden kann, dass der Markeninhaber die Richtigkeit der mit der Marke im Verkehr verbundenen Qualitätserwartungen nicht durch regelmäßige Qualitätskontrollen bei seinen Lizenznehmern gewährleistet.
3. Die Verordnung Nr. 207/2009 ist dahin auszulegen, dass ihre Bestimmungen über Unionskollektivmarken nicht entsprechend auf Unionsindividualmarken angewandt werden können.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 15. Dezember 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Dezember 2015, in dem Verfahren
W. F. Gözze Frottierweberei GmbH,
Wolfgang Gözze
gegen
Verein Bremer Baumwollbörse
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič (Berichterstatter), der Richterin A. Prechal, des Richters A. Rosas, der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: X. Lopez Bancalari, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der W. F. Gözze Frottierweberei GmbH und von Herrn Gözze, vertreten durch die Rechtsanwältinnen M. Hermans und I. Heß,
- des Vereins Bremer Baumwollbörse, vertreten durch Rechtsanwalt C. Opatz,
- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Hellmann, T. Henze und J. Techert als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch T. Scharf und J. Samnadda als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. Dezember 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der W. F. Gözze Frottierweberei GmbH (im Folgenden: Gözze) und Herrn Gözze auf der einen und dem Verein Bremer Baumwollbörse (im Folgenden: VBB) auf der anderen Seite über die Benutzung eines Zeichens durch Gözze, das einer Unionsmarke ähnelt, deren Inhaber der VBB ist, und über das Vorliegen einer ernsthaften Benutzung der Marke.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Die Verordnung Nr. 207/2009 ist durch die am 23. März 2016 in Kraft getretene Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 (ABl. 2015, L 341, S. 21) geändert worden. Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen wird in Anbetracht des für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraums jedoch anhand der Verordnung Nr. 207/2009 in ihrer Fassung vor dieser Änderung geprüft.
Rz. 4
In Art. 4 der Verordnung heißt es:
„[Unionsmarken] können alle Zeichen sein, die sich grafisch darstellen lassen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.”
Rz. 5
Art. 7 Abs. 1 der Verordnung bestimmt:
„Von der Eintragung ausgeschlossen sind
a) Zeichen, die nicht unter Artikel 4 fallen;
b) Marken, die keine Unterscheidungskraft haben,
c) Marke...