Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels. Begriff ‚in Gefangenschaft geborene und gezüchtete Exemplare von Tierarten’. Begriff ‚Zuchtstock’. Gründung des Zuchtstocks. Kontrolle der Abstammung
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 338/97 Art. 8 Abs. 3 Buchst. d; Verordnung (EG) Nr. 865/2006 Art. 1 Nr. 3, Art. 54 Nr. 2
Beteiligte
Ministerstvo životního prostředí |
Ministerstvo životního prostředí |
Tenor
1. Art. 1 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 865/2006 der Kommission vom 4. Mai 2006 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels
ist dahin auszulegen, dass
unter den Begriff „Zuchtstock” im Sinne dieser Bestimmung nicht die Vorfahren von in einem Zuchtbetrieb gezüchteten Exemplaren fallen, die nie im Eigentum dieses Betriebs standen oder von diesem gehalten wurden.
2. Art. 54 Nr. 2 der Verordnung Nr. 865/2006 in Verbindung mit Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und dem Grundsatz des Vertrauensschutzes
ist dahin auszulegen, dass
er dem entgegensteht, dass ein Exemplar einer in Anhang A der Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels genannten Tierart, das von einem Züchter gehalten wird, als in Gefangenschaft geboren und gezüchtet im Sinne von Art. 8 Abs. 3 dieser Verordnung angesehen werden kann, wenn Vorfahren dieses Exemplars, die nicht zum Zuchtstock dieses Züchters gehören, von einem Dritten vor dem Inkrafttreten dieser Verordnungen in einer Weise erworben wurden, die dem Überleben der Art in der Natur abträglich war.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Nejvyšší správní soud (Oberstes Verwaltungsgericht, Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 25. November 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Dezember 2020, in dem Verfahren
ET
gegen
Ministerstvo životního prostředí
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richter S. Rodin (Berichterstatter) und J.-C. Bonichot sowie der Richterinnen L. S. Rossi und O. Spineanu-Matei,
Generalanwältin: L. Medina,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von ET, vertreten durch P. Pařil, Advokát,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch L. Dvořáková, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- der slowakischen Regierung, vertreten durch S. Ondrášiková als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Ondrušek und C. Valero als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 3. März 2022
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Nr. 3 und Art. 54 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 865/2006 der Kommission vom 4. Mai 2006 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels (ABl. 2006, L 166, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Kassationsverfahrens zwischen ET und dem Ministerstvo životního prostředí (Umweltministerium, Tschechische Republik) wegen der Gewährung einer Ausnahme vom Handelsverbot für fünf Exemplare der Papageienart Hyazinth-Ara (Anodorhynchus hyacinthinus).
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
Rz. 3
Das am 3. März 1973 in Washington unterzeichnete Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (Recueil des traités des Nations unies, Bd. 993, Nr. I-14537, im Folgenden: CITES) soll sicherstellen, dass der internationale Handel mit den in seinen Anhängen aufgeführten Arten sowie mit Teilen von und Erzeugnissen aus ihnen nicht der Erhaltung der Biodiversität schadet und auf einer nachhaltigen Nutzung der freilebenden Arten beruht.
Rz. 4
Das CITES, dem die Europäische Union am 8. Juli 2015 beigetreten ist, wurde in der Union seit dem 1. Januar 1984 aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 3626/82 des Rates vom 3. Dezember 1982 zur Anwendung des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen in der Gemeinschaft (ABl. 1982, L 384, S. 1) angewandt. Diese Verordnung wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels (ABl. 1997, L 61, S. 1) aufgehoben, die nach ihrem Art. 1 Abs. 2 im Einklang mit den Zielen, Grundsätzen und Bestimmungen des CITES angewandt wird.
Rz. 5
Art. II („Grundprinzipien”) Abs. 1 des CITES sieht vor:
„Anhang I enthält alle von der Ausrottung bedrohten Arten, die durch den Handel beeinträchtigt werden oder beeinträchtigt werden können. Um ihr Überleben nicht noch weiter zu gefährden, mu...