Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflanzenschutzmittel. Paralleleinfuhren. Verfahren der Genehmigung für das Inverkehrbringen. Zulässigkeit. Voraussetzungen. Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit

 

Beteiligte

Escalier

Daniel Escalier

Jean Bonnarel

 

Tenor

Ein Mitgliedstaat darf die Paralleleinfuhr eines Pflanzenschutzmittels aus einem anderen Mitgliedstaat, in dem es bereits zugelassen ist, einem vereinfachten Zulassungsverfahren unterwerfen, wenn die Einfuhr von einem Landwirt ausschließlich für die Bedürfnisse seines Betriebs vorgenommen wird, wobei die so erteilte Zulassung an die Person des jeweiligen Wirtschaftsteilnehmers gebunden ist. Wenn es sich bei dem betroffenen Wirtschaftsteilnehmer um einen Landwirt handelt, der die Paralleleinfuhr ausschließlich für die Bedürfnisse seines eigenen Betriebs durchführt, darf die Zulassung nicht davon abhängig gemacht werden, dass dieser Wirtschaftsteilnehmer das eingeführte Erzeugnis mit seiner eigenen Marke kennzeichnet. Für die Zulassung darf keine Gebühr erhoben werden, die außer Verhältnis zu den Kosten steht, die durch die Kontrolle oder die für die Prüfung des Zulassungsantrags erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen verursacht werden. Eine pauschale Berechnung dieser Kosten ist jedoch unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Cour d'appel de Montpellier (Frankreich) mit Entscheidungen vom 24 Mai 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Juni 2006, in den Strafverfahren gegen

Daniel Escalier (C-260/06),

Jean Bonnarel (C-261/06)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richter G. Arestis, E. Juhász, J. Malenovský und T. von Danwitz (Berichterstatter),

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: R. Grass,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Escalier und Herrn Bonnarel, vertreten durch J.-P. Montenot, avocat,
  • der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und R. Loosli-Surrans als Bevollmächtigte,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch G. Kanellopoulos und S. Papaioannou als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster als Bevollmächtigte,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. Stromsky als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwältin in der Sitzung vom 10. Juli 2007

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 28 EG und 30 EG sowie der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. L 230, S. 1, im Folgenden: Richtlinie).

2 Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Strafverfahren gegen Herrn Escalier und Herrn Bonnarel, denen die Nichtbeachtung der französischen Rechtsvorschriften über das Inverkehrbringen, den Besitz und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zur Last gelegt wird.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Nach Art. 28 EG sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Gemäß Art. 30 EG sind jedoch Einfuhrverbote und -beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten, die u. a. zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen gerechtfertigt sind, zulässig, sofern sie weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des innergemeinschaftlichen Handels darstellen.

4 Die Richtlinie schafft einheitliche Vorschriften über die Voraussetzungen und die Verfahren für die Genehmigung des Inverkehrbringens (im Folgenden: Zulassung) von Pflanzenschutzmitteln sowie über die Überprüfung und Entziehung einer solchen Zulassung. Sie soll nicht nur die Vorschriften über die Voraussetzungen und die Verfahren für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln vereinheitlichen, sondern auch ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Menschen und Tieren sowie für die Umwelt gegen die Bedrohungen und Gefahren gewährleisten, die sich aus der unzureichend kontrollierten Verwendung von Pflanzenschutzmitteln ergeben. Die Richtlinie soll außerdem Hindernisse für den freien Verkehr mit Pflanzenschutzmitteln beseitigen.

5 Die Richtlinie betrifft u. a. die Zulassung, das Inverkehrbringen, die Anwendung und die Kontrolle von Pflanzenschutzmitteln in handelsüblicher Form innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Laut ihrem Art. 2 Nr. 10 gilt als „Inverkehrbringen” jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe, ausgenommen die Abgabe zur Lagerung mit anschließender Ausfuhr aus dem Gebiet der Gemeinschaft. Die Einfuhr eines Pflanzenschutzmittels in deren Gebiet wird als Inverkehrbringen im Sinne der Richtlinie angesehen.

6 Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass in ihrem Gebiet nur die Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht und ange...

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