Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Zusammenarbeit. Verordnung (EG) Nr. 1348/2000. Artikel 4 bis 11 und 14. Zustellungen gerichtlicher Schriftstücke. Zustellung durch Einschalten von Stellen. Zustellung durch die Post. Verhältnis der Arten der Übermittlung und der Zustellung zueinander. Rangordnung. Rechtsmittelfrist
Beteiligte
Tenor
1. Die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten ist dahin auszulegen, dass sie keine Rangordnung zwischen der in ihren Artikeln 4 bis 11 vorgesehenen Art der Übermittlung und Zustellung und der in ihrem Artikel 14 vorgesehenen Art der Zustellung aufstellt und dass ein gerichtliches Schriftstück daher auf einem dieser beiden Wege oder kumulativ auf beiden zugestellt werden kann.
2. Die Verordnung Nr. 1348/2000 ist wie folgt auszulegen: Werden eine in den Artikeln 4 bis 11 vorgesehene Art der Übermittlung und Zustellung und eine in Artikel 14 vorgesehene Art kumulativ bewirkt, so ist für den Beginn einer Verfahrensfrist, die an die erfolgte Zustellung anknüpft, gegenüber dem Empfänger auf den Zeitpunkt der ersten wirksam bewirkten Zustellung abzustellen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach den Artikeln 68 EG und 234 EG, eingereicht vom belgischen Hof van Cassatie mit Entscheidung vom 22. Oktober 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 9. November 2004, in dem Verfahren
Plumex
gegen
Young Sports NV
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter), A. La Pergola, S. von Bahr und A. Borg Barthet,
Generalanwalt: A. Tizzano,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der finnischen Regierung, vertreten durch T. Pynnä als Bevollmächtigte,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch E. O'Neill als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und R. Troosters als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. November 2005
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 4 bis 11 und 14 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (ABl. L 160, S. 37; im Folgenden: die Verordnung).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsmittels der Firma Plumex gegen die Zurückweisung der Berufung gegen ein Urteil eines erstinstanzlichen Gerichts in einem Rechtsstreit zwischen diesem Unternehmen und der Young Sports NV durch den Hof van beroep Gent als verspätet.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Nach der Begründungserwägung 2 der Verordnung muss für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen, die in einem anderen Mitgliedstaat zugestellt werden sollen, zwischen den Mitgliedstaaten verbessert und beschleunigt werden.
4 Somit bezweckt die Verordnung eine Verbesserung der Wirksamkeit und der Schnelligkeit der gerichtlichen Verfahren durch die Aufstellung des Grundsatzes einer direkten Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke.
5 Sie ist nach ihrem Artikel 1 Absatz 1 in Zivil- oder Handelssachen anzuwenden, in denen ein gerichtliches oder außergerichtliches Schriftstück von einem in einen anderen Mitgliedstaat zum Zwecke der Zustellung zu übermitteln ist.
6 Kapitel II der Verordnung enthält Bestimmungen, die verschiedene Wege der Übermittlung oder Zustellung gerichtlicher Schriftstücke vorsehen. Es ist in zwei Abschnitte aufgeteilt.
7 Abschnitt 1 dieses Kapitels, der die Artikel 4 bis 11 umfasst, bezieht sich auf die erste Art der Zustellung (im Folgenden: Zustellung durch Einschaltung von Stellen), in deren Rahmen ein zuzustellendes gerichtliches Schriftstück zunächst direkt und so schnell wie möglich zwischen von den Mitgliedstaaten benannten Stellen, den „Übermittlungsstellen” und den „Empfangsstellen”, übermittelt wird. Sodann bewirkt oder veranlasst die Empfangsstelle die Zustellung dieses Schriftstücks entweder nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats oder in einer von der Übermittlungsstelle gewünschten besonderen Form, sofern dieses Verfahren mit dem Recht des Empfangsmitgliedstaats vereinbar ist.
8 Nach Artikel 7 der Verordnung sind alle für die Zustellung erforderlichen Schritte so bald wie möglich vorzunehmen.
9 Abschnitt 2 des Kapitels II der Verordnung sieht „[a]ndere Arten der Übermittlung und Zustellung gerichtlicher Schriftstücke” vor, nämlich die Übermittlung auf kons...