Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Wettbewerb. Kartelle. Markt für Zitronensäure. Festsetzung der Höhe von Geldbußen. Rolle als Anführer. Verteidigungsrechte. Beweismittel aus einem Verfahren in einem Drittland. Definition des relevanten Marktes. Mildernde Umstände
Beteiligte
Archer Daniels Midland / Kommission |
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Archer Daniels Midland Co |
Tenor
1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 27. September 2006, Archer Daniels Midland/Kommission (T-59/02) wird insoweit aufgehoben, als damit der Klagegrund der Archer Daniels Midland Co. zurückgewiesen wird, der die Verletzung ihrer Verteidigungsrechte in dem Verwaltungsverfahren, in dem die Entscheidung 2002/742/EG der Kommission vom 5. Dezember 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E-1/36.604 – Zitronensäure) ergangen ist, betrifft, soweit die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ihr keine Gelegenheit gegeben hat, ihre Rechte hinsichtlich der Tatsachen geltend zu machen, auf die die Kommission ihre Einstufung als Anführer des Kartells gestützt hat.
2. Das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 27. September 2006, Archer Daniels Midland/Kommission, wird insoweit aufgehoben, als damit der Klagegrund der Archer Daniels Midland Co. als ins Leere gehend zurückgewiesen wird, der die fehlerhafte Anwendung von Abschnitt B Buchst. b der Mitteilung der Kommission vom 18. Juli 1996 über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen betrifft.
3. Art. 3 der Entscheidung 2002/742 wird für nichtig erklärt, soweit damit die Höhe der von der Archer Daniels Midland Co. zu zahlenden Geldbuße auf 39,69 Mio. Euro festgesetzt wird.
4. Der Betrag der von der Archer Daniels Midland Co. zu zahlenden Geldbuße wegen der in Art. 1 der Entscheidung 2002/742, wie dieser Artikel durch das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 27. September 2006, Archer Daniels Midland/Kommission (T-59/02) teilweise für nichtig erklärt worden ist, festgestellten Zuwiderhandlung wird auf 29,4 Mio. Euro festgesetzt.
5. Im Übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.
6. Die Archer Daniels Midland Co. trägt drei Viertel ihrer eigenen Kosten und die Kosten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften bezüglich des Verfahrens vor dem Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften sowie die Hälfte ihrer eigenen Kosten und die Kosten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften bezüglich des Rechtsmittelverfahrens.
7. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt ein Viertel der Kosten der Archer Daniels Midland Co. bezüglich des Verfahrens vor dem Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften sowie die Hälfte der Kosten der Archer Daniels Midland Co. bezüglich des Rechtsmittelverfahrens.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 11. Dezember 2006,
Archer Daniels Midland Co. mit Sitz in Decatur (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt C. O. Lenz, L. Martin Alegi, E. Batchelor und M. Garcia, Solicitors, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Rechtsmittelführerin,
andere Verfahrensbeteiligte:
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Bouquet und X. Lewis als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Richters A. Tizzano in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter M. Ilešič, A. Borg Barthet, E. Levits (Berichterstatter) und J.-J. Kasel,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2008,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. November 2008
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Archer Daniels Midland Co. (im Folgenden: ADM) die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 27. September 2006, Archer Daniels Midland/Kommission (T-59/02, Slg. 2006, II-3627, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung 2002/742/EG der Kommission vom 5. Dezember 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E-1/36.604 – Zitronensäure) (ABl. 2002, L 239, S. 18) (im Folgenden: streitige Entscheidung), soweit diese sie betrifft, teilweise abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrags (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), bestimmte:
„Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million Rechnungseinheiten oder über diesen Betrag hina...