Entscheidungsstichwort (Thema)
Freier Dienstleistungsverkehr. Niederlassungsfreiheit. Nationale Regelung zur Errichtung eines Konzessionssystems für den Betrieb von Glücksspielen in Spielbanken. Vergabe der Konzessionen nur an Aktiengesellschaften mit Sitz im Inland. Vergabe sämtlicher Konzessionen ohne Ausschreibung
Beteiligte
Tenor
1. Art. 43 EG ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die den Betrieb von Glücksspielen in Spielbanken ausschließlich Wirtschaftsteilnehmern mit Sitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats vorbehält.
2. Das Transparenzgebot, das sich aus den Art. 43 EG und 49 EG sowie dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ergibt, steht einer Vergabe sämtlicher Konzessionen für den Betrieb von Spielbanken im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, die ohne Ausschreibung erfolgt, entgegen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Landesgericht Linz (Österreich) mit Entscheidung vom 23. Januar 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Februar 2008, in dem Strafverfahren gegen
Ernst Engelmann
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richterin C. Toader sowie der Richter K. Schiemann (Berichterstatter), P. Kūris und L. Bay Larsen,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von E. Engelmann, vertreten durch die Rechtsanwälte P. Ruth und T. Talos und durch A. Stadler,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlaemminck und A. Hubert, advocaten,
- der griechischen Regierung, vertreten durch A. Samoni-Rantou, M. Tassopoulou, O. Patsopoulou und E.-M. Mamouna als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch F. Díez Moreno als Bevollmächtigten,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, P. Mateus Calado und A. Barros als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, zuerst vertreten durch P. Dejmek, dann durch E. Traversa und H. Krämer als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Februar 2010
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 43 EG und 49 EG.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Herrn Engelmann wegen Verstoßes gegen die österreichischen Rechtsvorschriften über den Betrieb von Spielbanken.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Das Glücksspielwesen ist in Österreich durch das Glücksspielgesetz in seiner im Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich 1989/620 veröffentlichten Fassung (im Folgenden: GSpG) geregelt.
Rz. 4
Nach den parlamentarischen Materialien zum GSpG wird mit diesem Gesetz einerseits eine ordnungspolitische und andererseits eine fiskalische Zielsetzung verfolgt.
Rz. 5
Hinsichtlich der ordnungspolitischen Zielsetzung wird im allgemeinen Teil der Erläuterungen zum GSpG ausgeführt, dass idealerweise ein gänzliches Verbot von Glücksspielen die sinnvollste Regelung wäre. Angesichts des bekannten Umstandes, dass der Spieltrieb dem Menschen nun einmal immanent gegeben zu sein scheine, sei es aber wesentlich sinnvoller, diesen Spieltrieb im Interesse des Einzelnen und der Gemeinschaft in geordnete Bahnen zu lenken. Dadurch werde zweierlei erreicht: Es werde eine in Staaten mit gänzlichem Glücksspielverbot zu beobachtende Abwanderung des Glücksspieles in die Illegalität vermieden, gleichzeitig erhalte sich der Staat die Möglichkeit, die nun auf legaler Basis betriebenen Glücksspiele zu überwachen, wobei diese Überwachung als oberste Zielsetzung den Schutz des Spielers vor Augen haben müsse.
Rz. 6
In fiskalischer Hinsicht wird klargestellt, dass ein Interesse des Bundes gegeben sei, einen möglichst hohen Ertrag aus dem Glücksspielmonopol abschöpfen zu können. Bei der Regelung des Glücksspielwesens habe der Bund daher – unter Beachtung und Wahrung des ordnungspolitischen Ziels – eine Durchführung der Glücksspiele in der Richtung anzustreben, dass ihm ein möglichst hoher Ertrag aus diesem Monopol verbleibe.
Rz. 7
§ 3 GSpG begründet ein „staatliches Glücksspielmonopol”, indem er vorschreibt, dass das Recht zur Durchführung von Glücksspielen, soweit im GSpG nicht anderes bestimmt wird, dem Staat vorbehalten ist.
Rz. 8
Nach § 21 Abs. 1 GSpG kann der Bundesminister für Finanzen das Recht zum Betrieb einer Spielbank durch Erteilung einer Konzession übertragen. Insgesamt dürfen höchstens zwölf Konzessionen erteilt werden, und für das Gebiet einer Gemeinde darf nur eine Konzession erteilt werden.
Rz. 9
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Konzession für den Betrieb einer Spielbank sind in § 21 Abs. 2 GSpG festgelegt. Darin heißt es u. a., das...