Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Ausgeschlossene Rechtsgebiete. Familienrecht. Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung. Entscheidung über das Umgangsrecht, in der ein Zwangsgeld festgesetzt wird. Vollstreckung des Zwangsgelds
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 1 Abs. 2; Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 49; Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 Art. 47 Abs. 1
Beteiligte
Tenor
1. Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass diese Verordnung nicht auf die Vollstreckung eines Zwangsgelds in einem Mitgliedstaat anzuwenden ist, wenn das Zwangsgeld in einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung über die elterliche Sorge und das Umgangsrecht festgesetzt wurde, um die Beachtung des Umgangsrechts durch den Inhaber der elterlichen Sorge zu gewährleisten.
2. Die Beitreibung eines Zwangsgelds, das von dem Gericht des Ursprungsmitgliedstaats, das über das Umgangsrecht in der Sache entschieden hat, verhängt wurde, um die Wirksamkeit dieses Rechts sicherzustellen, unterliegt derselben Vollstreckungsregelung wie die Entscheidung über das mit diesem Zwangsgeld sichergestellte Umgangsrecht; dieses Zwangsgeld ist daher nach den in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 vorgesehenen Bestimmungen für vollstreckbar zu erklären.
3. Im Rahmen der Verordnung Nr. 2201/2003 sind ausländische Entscheidungen, die auf Zahlung eines Zwangsgelds lauten, im Vollstreckungsmitgliedstaat nur vollstreckbar, wenn die Höhe des Zwangsgelds durch die Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats endgültig festgesetzt ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein oikeus (Finnland) mit Entscheidung vom 31. Dezember 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Januar 2014, in dem Verfahren
Christophe Bohez
gegen
Ingrid Wiertz
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter S. Rodin und E. Levits, der Richterin M. Berger (Berichterstatterin) und des Richters F. Biltgen,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Januar 2015,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Bohez, vertreten durch L. Koskenvuo, asianajaja,
- der finnischen Regierung, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch L. Banciella Rodríguez-Miñó als Bevollmächtigten,
- der litauischen Regierung, vertreten durch D. Kriaučiūnas und R. Dzikovič als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und E. Paasivirta als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. April 2015
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 und Art. 49 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 12, S. 1) sowie von Art. 47 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. L 338, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Bohez und Frau Wiertz wegen der Vollstreckung eines Zwangsgelds in Finnland, das in einer Entscheidung eines belgischen Gerichts angeordnet wurde, um das Umgangsrecht von Herrn Bohez in Bezug auf seine Kinder sicherzustellen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 44/2001
Rz. 3
Art. 1 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt zu ihrem Anwendungsbereich:
„(1) Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. …
(2) Sie ist nicht anzuwenden auf:
a) den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung von natürlichen Personen, die ehelichen Güterstände, das Gebiet des Erbrechts einschließlich des Testamentsrechts;
…”
Rz. 4
Art. 45 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001, der im Kapitel III („Anerkennung und Vollstreckung”) steht, sieht vor:
„Die ausländische Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgepr...