Entscheidungsstichwort (Thema)
Innergemeinschaftlicher Erwerb, Dieselkraftstoff, Vorauszahlung von Mehrwertsteuer bei innergemeinschaftlichem Erwerb von Kraftstoffen, Pflicht zur Vorauszahlung von MwSt auf einen innergemeinschaftlichen Erwerb
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 69, 206, 273
Beteiligte
Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Bydgoszczy |
Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Bydgoszczy |
Verfahrensgang
Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) (Beschluss vom 17.10.2019; ABl. EU 2020, Nr. C 61/18) |
Tenor
Die Art. 69, 206 und 273 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie einer Bestimmung des nationalen Rechts entgegenstehen, die eine Pflicht zur Vorauszahlung der Mehrwertsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb von Kraftstoffen anordnet, bevor dieser Steueranspruch im Sinne dieses Art. 69 eintritt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen) mit Entscheidung vom 17. Oktober 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 22. November 2019, in dem Verfahren
G. sp. z o.o.
gegen
Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Bydgoszczy
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan (Berichterstatter) sowie der Richter M. Ilešič, E. Juhász, C. Lycourgos und I. Jarukaitis,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der G. sp. z o.o., vertreten durch M. Kalinowski, radca prawny,
- des Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Bydgoszczy, vertreten durch B. Kołodziej und T. Wojciechowski als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Siekierzyńska und J. Jokubauskaitė als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. März 2021
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 110 AEUV sowie der Art. 69, 206 und 273 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 (ABl. 2010, L 189, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der G. sp. z o.o. und dem Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Bydgoszczy (Direktor der Finanzverwaltungskammer Bydgoszcz [Bromberg], Polen) (im Folgenden: Steuerbehörde) über eine Pflicht zur Vorauszahlung der Mehrwertsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb von Kraftstoffen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In Art. 62 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie gilt
(1) als ‚Steuertatbestand’ der Tatbestand, durch den die gesetzlichen Voraussetzungen für den Steueranspruch verwirklicht werden;
(2) als ‚Steueranspruch’ der Anspruch auf Zahlung der Steuer, den der Fiskus kraft Gesetzes gegenüber dem Steuerschuldner von einem bestimmten Zeitpunkt an geltend machen kann, selbst wenn Zahlungsaufschub gewährt werden kann.”
Rz. 4
Art. 68 dieser Richtlinie sieht vor:
„Der Steuertatbestand tritt zu dem Zeitpunkt ein, zu dem der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen bewirkt wird.
Der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen gilt als zu dem Zeitpunkt bewirkt, zu dem die Lieferung gleichartiger Gegenstände innerhalb des Mitgliedstaats als bewirkt gilt.”
Rz. 5
Art. 69 dieser Richtlinie lautet:
„Beim innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen tritt der Steueranspruch bei der Ausstellung der Rechnung, oder bei Ablauf der Frist nach Artikel 222 Absatz 1, wenn bis zu diesem Zeitpunkt keine Rechnung ausgestellt worden ist, ein.”
Rz. 6
Art. 206 dieser Richtlinie bestimmt:
„Jeder Steuerpflichtige, der die Steuer schuldet, hat bei der Abgabe der Mehrwertsteuererklärung nach Artikel 250 den sich nach Abzug der Vorsteuer ergebenden Mehrwertsteuerbetrag zu entrichten. Die Mitgliedstaaten können jedoch einen anderen Termin für die Zahlung dieses Betrags festsetzen oder Vorauszahlungen erheben.”
Rz. 7
In Art. 222 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:
„Für Gegenstände, die unter den Voraussetzungen des Artikels 138 geliefert werden, oder für Dienstleistungen, für die nach Artikel 196 der Leistungsempfänger die Steuer schuldet, wird spätestens am fünfzehnten Tag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Steuertatbestand eingetreten ist, eine Rechnung ausgestellt.
Für andere Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen können die Mitgliedstaaten den Steuerpflichtigen Fristen für die Ausstellung der Rechnung setzen.”
Rz. 8
Art. 250 dieser Richtlinie sieht vor:
„(1) Jeder Steuerpflichtige hat eine Mehrwertsteuererklärung abzugebe...