Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtigkeitsklage. Fristen. Beginn. Zeitpunkt der Erlangung der Kenntnis von der Handlung. Subsidiarität. Beschluß des Rates, mit dem im Namen der Gemeinschaft ein völkerrechtlicher Vertrag genehmigt wird. Zeitpunkt der Bekanntgabe (EG-Vertrag, Artikel 173 Absatz 5). Beschluß des Rates, mit dem im Namen der Gemeinschaft ein völkerrechtlicher Vertrag genehmigt wird (EG-Vertrag, Artikel 173). Anfechtbare Handlungen. Beschluß 94/800 über den Abschluß der Übereinkünfte der Uruguay-Runde. Klage auf Nichtigerklärung eines Teils dieses Beschlusses. Zulässigkeit (EG-Vertrag, Artikel 173; Verordnung Nr. 3290/94 des Rates; Beschluß94/800 des Rates). Völkerrechtliche Verträge. Welthandelsorganisation. GATT 1994. Rahmenabkommen zwischen der Gemeinschaft und bestimmten Drittländern über Bananen. Aufteilung des Zollkontingents auf nationale Kontingente. Keine Diskriminierung. Eigentumsrecht. Wohlerworbene Rechte. Freie Berufsausübung. Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Keine Verletzung. Errichtung eines Systems von Ausfuhrlizenzen, das nur die Marktbeteiligten der Gruppen A und C betrifft. Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot (EG-Vertrag, Artikel 40 Absatz 3; Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen 1994; Verordnung Nr. 404/93 des Rates; Beschluß 94/800 des Rates)

 

Leitsatz (amtlich)

Nach dem Wortlaut des Artikels 173 Absatz 5 des Vertrages – Klagefrist bei Nichtigkeitsklage – kommt der Zeitpunkt, zu dem der Kläger von der Handlung Kenntnis erlangt hat, als Beginn der Klagefrist nur subsidiär neben dem Zeitpunkt der Bekanntgabe bzw. der Mitteilung der Handlung in Betracht.

Nach ständiger Übung werden Beschlüsse des Rates über den Abschluß völkerrechtlicher Abkommen, die für die Gemeinschaft verbindlich sind, im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften bekanntgegeben. Ein Mitgliedstaat, der auf Nichtigkeit eines Beschlusses über die Genehmigung eines solchen Abkommens im Namen der Gemeinschaft klagt und der von diesem Beschluß von Anfang an Kenntnis hat, darf davon ausgehen, daß der Beschluß im Amtsblatt bekanntgegeben wird. Wenn diese Bekanntgabe tatsächlich weniger als zwei Monate nach der Annahme des Beschlusses erfolgt, beginnt die Klagefrist mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe, selbst wenn diese in der Rubrik „Nicht veröffentlichungsbedürftige Rechtsakte” erfolgt.

Ein Mitgliedstaat kann Nichtigkeitsklage gegen einen Beschluß des Rates über den Abschluß eines völkerrechtlichen Abkommens erheben und dabei durch einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz einstweilige Maßnahmen beantragen, selbst wenn dieses Abkommen von der Gemeinschaft ohne Vorbehalt geschlossen wurde und sowohl nach Gemeinschaftsrecht als auch nach Völkerrecht für die Organe und die Mitgliedstaaten verbindlich ist.

Der Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage gegen den Beschluß 94/800 über den Abschluß der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde, soweit der Rat damit dem Abschluß des Rahmenabkommens über Bananen zugestimmt hat, steht nicht entgegen, daß dieses Rahmenabkommen nur ein Teil der Übereinkünfte ist.

Zum einen spricht nichts dafür, daß die Nichtigerklärung des Beschlusses insoweit, als er den Abschluß des Rahmenabkommens betrifft, andere im Rahmen der Verhandlungen in der Uruguay-Runde gemachte gegenseitige Zugeständnisse und Verpflichtungen wirkungslos machen würde. Zum anderen erfolgt die interne Umsetzung dieser Abkommen im Agrarbereich in der Verordnung Nr. 3290/94 in der Weise, daß die einzelnen Gemeinschaftsregelungen über die gemeinsame Agrarmarktorganisation jeweils gesondert angepasst werden. Daher könnte eine Nichtigerklärung des Beschlusses im genannten Umfang die Anpassung anderer Sektoren als des Bananensektors nicht beeinträchtigen.

Das Rahmenabkommen über Bananen zwischen der Gemeinschaft und bestimmten Drittländern ist ein Anhang zum GATT 1994, der seinerseits ein Anhang zum Abkommen über die Errichtung der Welthandelsorganisation ist; dieses wurde im Namen der Gemeinschaft mit dem Beschluß 94/800 genehmigt. Nach Nummer 2 des Rahmenabkommens wird das Zollkontingent für die Einfuhren von Drittlandbananen und nichttraditionellen AKP-Bananen in spezifische Kontingente aufgeteilt, die verschiedenen Drittländern oder Drittländergruppen zugewiesen werden, wobei ein bestimmter Prozentsatz den Vertragsstaaten des Rahmenabkommens vorbehalten bleibt. Nach Nummer 6 müssen sich nur die Marktbeteiligten der Gruppen A und C, nicht aber diejenigen der Gruppe B (Marktbeteiligte, die mit Gemeinschafts- und/oder herkömmlichen AKP-Bananen handeln), bei den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten für die Einfuhr von Bananen aus diesen Ländern Ausfuhrlizenzen beschaffen.

Die Aufteilung des Zollkontingents in Länderkontingente, die bestimmte Drittländer begünstigt und damit die Möglichkeiten der Marktbeteiligten der Gruppen A und C beschränkt, Bananen aus anderen Drittländern zu importieren, verletzt das allgemeine Diskriminierungsverbot nicht.

Das Gemeinschaftsrecht kennt nämlich keinen allgem...

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