Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Zusatzprotokoll. Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen türkischer Staatsangehöriger. Nationale Regelung, wonach der Familienangehörige, der ins nationale Hoheitsgebiet einreisen will, sprachliche Grundkenntnisse nachweisen muss. Zulässigkeit. Familienzusammenführung. Vereinbarkeit

 

Normenkette

Assoziierungsabkommen EWG-Türkei Zusatzprotokoll Art. 41 Abs. 1; Richtlinie 2003/86/EG Art. 7 Abs. 2

 

Beteiligte

Dogan N

Naime Dogan

Bundesrepublik Deutschland

 

Tenor

Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls, das am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichnet und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 über den Abschluss des Zusatzprotokolls und des Finanzprotokolls, die am 23. November 1970 unterzeichnet wurden und dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei als Anhänge beigefügt sind, und über die zu deren Inkrafttreten zu treffenden Maßnahmen im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde, ist dahin auszulegen, dass die darin enthaltene Stillhalteklausel einer Regelung des nationalen Rechts entgegensteht, die eingeführt wurde, nachdem das Zusatzprotokoll in dem betreffenden Mitgliedstaat in Kraft getreten ist, und vorschreibt, dass Ehegatten von in diesem Mitgliedstaat wohnenden türkischen Staatsangehörigen, wenn sie zum Zweck der Familienzusammenführung in das Hoheitsgebiet dieses Staates einreisen wollen, vor der Einreise nachweisen müssen, dass sie einfache Kenntnisse der Amtssprache dieses Mitgliedstaats erworben haben.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Berlin (Deutschland) mit Entscheidung vom 13. Februar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 19. März 2013, in dem Verfahren

Naime Dogan

gegen

Bundesrepublik Deutschland

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, G. Arestis, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Dogan, vertreten durch Rechtsanwalt C. Käss,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch M. Wolff, C. Thorning und V. Pasternak Jørgensen als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch J. Langer und M. Bulterman als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Condou-Durande, M. Kellerbauer und W. Bogensberger als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. April 2014

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls, das am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichnet und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 über den Abschluss des Zusatzprotokolls und des Finanzprotokolls, die am 23. November 1970 unterzeichnet wurden und dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei als Anhänge beigefügt sind, und über die zu deren Inkrafttreten zu treffenden Maßnahmen (ABl. L 293, S. 1) im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde (im Folgenden: Zusatzprotokoll). Das genannte Abkommen wurde von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits am 12. September 1963 in Ankara unterzeichnet und durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 (ABl. 1964, 217, S. 3685) im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt (im Folgenden: Assoziierungsabkommen). Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft außerdem die Auslegung von Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. L 251, S. 12).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Dogan und der Bundesrepublik Deutschland wegen der Ablehnung ihres Antrags auf Erteilung eines Visums zum Zweck der Familienzusammenführung durch die Bundesrepublik Deutschland.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Assoziierungsabkommen

Rz. 3

Nach Art. 2 Abs. 1 des Assoziierungsabkommens hat dieses zum Ziel, eine beständige und ausgewogene Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien unter voller Berücksichtigung der Notwendigkeit zu fördern, dass hierbei der beschleunigte Aufbau der türkischen Wirtschaft sowie die Hebung des Beschäftigungsstands und der Lebensbedingungen des türkischen Volkes gewährleistet werden.

Rz. 4

Na...

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