Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel zur Anwendung der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige und deren Familienangehörige. Grad der Erwerbsminderung. Voraussetzungen für Invalidität
Normenkette
EWGV 574/72 Art. 40, 51
Beteiligte
Bestuur van het Landelijk instituut sociale verzekeringen |
Tenor
1.
Artikel 51 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, geändert und aktualisiert durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983, verbietet es, daß der zuständige Träger im Fall eines ehemaligen Grenzgängers, der Leistungen bei Invalidität erhält und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen des leistungspflichtigen Trägers wohnt, und zwar näher am Sitz des Trägers des zuständigen Staates als am Sitz des Trägers des Wohnstaats, die verwaltungsmäßige und ärztliche Kontrolle des Betreffenden durchführt, ohne eine vorherige Untersuchung durch den Träger des Wohnorts verlangt zu haben. Diese Bestimmung verbietet es jedoch nicht, daß der Betreffende auf die vorherige Untersuchung durch den Träger des Wohnorts verzichtet, sofern der Verzicht freiwillig und unzweideutig erklärt worden ist.
2.
Artikel 40 dieser Verordnung verbietet es nicht, daß der zuständige Träger im Fall der erstmaligen Feststellung einer Leistung bei Invalidität für eine Person, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen des zuständigen Trägers wohnt, den Grad der Erwerbsminderung aufgrund einer eigenen ärztlichen Untersuchung feststellt, ohne eine vorherige Untersuchung durch den Träger des Wohnorts verlangt zu haben. Der zuständige Träger muß jedoch die ärztlichen Unterlagen und Berichte sowie die verwaltungsmäßigen Auskünfte des Trägers des Staates berücksichtigen, in dem der Betreffende wohnt.
Gründe
1.
Der Centrale Raad van Beroep hat mit Beschluß vom 10. Juli 1997, beim Gerichtshof eingegangen am 1. August 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 40 und 51 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, geändert und aktualisiert durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 86; im folgenden: Verordnung), zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich in zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen Herrn Voeten und Herrn Beckers (im folgenden auch: Berufungsbeklagte) einerseits und dem Bestuur van het Landelijk instituut sociale verzekeringen (Nationales Institut für soziale Sicherheit; im folgenden: Berufungsklägerin) über die Gewährung von Leistungen bei Invalidität.
Die Gemeinschaftsregelung
3.
Artikel 40 der Verordnung, der die Überschrift ”Bemessung des Grades der Erwerbsminderung” trägt, bestimmt:
”Der Träger eines Mitgliedstaats berücksichtigt bei der Bemessung des Grades der Erwerbsminderung die von den Trägern aller anderen Mitgliedstaaten erhaltenen ärztlichen Unterlagen und Berichte sowie die verwaltungsmäßigen Auskünfte. Jeder Träger behält jedoch die Möglichkeit …, durch einen Arzt seiner Wahl den Antragsteller untersuchen zu lassen.”
4.
Artikel 51 Absatz 1 der Verordnung, der zu den Bestimmungen über ”Verwaltungsmäßige und ärztliche Kontrolle” gehört, bestimmt:
”Wenn ein Empfänger, insbesondere von
a)
Leistungen bei Invalidität,
…
sich im Gebiet eines anderen als des Mitgliedstaats, in dem der leistungspflichtige Träger seinen Sitz hat, aufhält oder dort wohnt, so erfolgt die verwaltungsmäßige und ärztliche Kontrolle auf Verlangen dieses Trägers durch den Träger des Aufenthalts- oder Wohnorts des Leistungsempfängers entsprechend den vom letztgenannten Träger anzuwendenden Rechtsvorschriften. Der leistungspflichtige Träger behält jedoch die Möglichkeit, durch einen Arzt seiner Wahl den Leistungsempfänger untersuchen zu lassen.”
Die Ausgangsverfahren
5.
Der Berufungsbeklagte Voeten übte vom 19. Oktober 1976 bis zum 21. November 1989 in Zundert (Niederlande) eine unselbständige Tätigkeit aus. Am letztgenannten Tag gab er seine Arbeit wegen Rücken-, Schulter- und Kniebeschwerden auf. Herr Voeten wohnte stets in Essen (Belgien) nahe der niederländischen Grenze.
6.
Am 3. August 1990 wurde er vom Versicherungsarzt des Gemeinsamen Ärztlichen Dienstes (GMD) der Berufsgenossenschaften in Breda (Niederlande) untersucht, dem sein behandelnder Facharzt in Antwerpen (Belgien) Auskünfte übermittelte. Am 11. Dezember 1990 hatte Herr Voeten außerdem ein Gespräch mit dem Arbeitssachverständigen des GMD über seine Arbeitsmöglichkeiten.
7.
Mit Bescheid vom 1. März 1991 wurde Herrn Voeten...