Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Geistiges Eigentum. Marken. Rechte aus der Marke. Individualmarke, die aus einem Testsiegel besteht
Normenkette
EGV Nr. 207/2009 Art. 9 Abs. 1; Richtlinie 2008/95/EG Art. 5 Abs. 1-2
Beteiligte
Dr. Rudolf Liebe Nachf. GmbH & Co. KG |
Tenor
1. Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die [Unionsmarke] und Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken sind dahin auszulegen, dass sie dem Inhaber einer aus einem Testsiegel bestehenden Individualmarke nicht gestatten, sich der Anbringung eines mit dieser Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Dritten auf Waren zu widersetzen, die mit den Waren oder den Dienstleistungen, für die diese Marke eingetragen ist, weder identisch noch ihnen ähnlich sind.
2. Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 und Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/95 sind dahin auszulegen, dass sie dem Inhaber einer aus einem Testsiegel bestehenden bekannten Individualmarke gestatten, sich der Anbringung eines mit dieser Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Dritten auf Waren, die mit denen, für die diese Marke eingetragen ist, weder identisch noch ihnen ähnlich sind, zu widersetzen, vorausgesetzt, es ist erwiesen, dass dieser Dritte aufgrund dieser Anbringung die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung dieser Marke in unlauterer Weise ausnutzt oder diese Unterscheidungskraft oder Wertschätzung beeinträchtigt und er in diesem Fall für diese Anbringung keinen „rechtfertigenden Grund” im Sinne dieser Bestimmungen dargetan hat.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 30. November 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Dezember 2017, in dem Verfahren
ÖKO-Test Verlag GmbH
gegen
Dr. Rudolf Liebe Nachf. GmbH & Co.KG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász, M. Ilešič (Berichterstatter) und I. Jarukaitis,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der ÖKO-Test Verlag GmbH, vertreten durch Rechtsanwältin N. Dinig,
- der Dr. Rudolf Liebe Nachf. GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt M. Wiume,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, M. Hellmann, J. Techert und U. Bartl als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch É. Gippini Fournier, W. Mölls und G. Braun als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Januar 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die [Unionsmarke] (ABl. 2009, L 78, S. 1) und von Art. 5 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2008, L 299, S. 25).
Rz. 2
Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der ÖKO-Test Verlag GmbH und der Dr. Rudolf Liebe Nachf. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Dr. Liebe) über die Benutzung eines Zeichens, das mit einer Individualmarke, die aus einem Testsiegel besteht, identisch oder ihr ähnlich ist.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 207/2009
Rz. 3
Die Verordnung Nr. 207/2009 wurde durch die am 23. März 2016 in Kraft getretene Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 (ABl. 2015, L 341, S. 21) geändert. Später wurde sie durch die Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) mit Wirkung vom 1. Oktober 2017 aufgehoben und ersetzt. Angesichts der Zeit, in die der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens fällt, wird das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen jedoch anhand der Verordnung Nr. 207/2009 in ihrer ursprünglichen Fassung geprüft.
Rz. 4
Im achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 207/2009 hieß es:
„Zweck des durch die eingetragene Marke gewährten Schutzes ist es, insbesondere die Herkunftsfunktion der Marke zu gewährleisten; dieser Schutz sollte im Falle der Identität zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den Waren oder Dienstleistungen absolut sein. Der Schutz sollte sich ebenfalls auf Fälle der Ähnlichkeit von Zeichen und Marke sowie Waren und Dienstleistungen erstrecken. …”
Rz. 5
Art. 9 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung bestimmte:
„(1) Die [Unions]marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne sein...